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Verfasst am 11.04.2024, Bernd Gasteiger

Gesellschafterausschluss: Vorliegen wichtiger Grund für die Einziehung von Geschäftsanteilen und Geltendmachung

OLG München, Urteil vom 1. Februar 2023 – 7 U 4346/21

 

Wir haben unsere Mandantin in dieser gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung als von dem Ausschluss betroffene Gesellschafterin gegenüber der Gesellschaft bis vor das Oberlandesgericht München erfolgreich vertreten. Die von uns eingelegte Berufung gegen das zunächst klageabweisende Urteil des Landgerichts war vor dem Oberlandesgericht München erfolgreich. Unsere Mandantin ist nach Ausschluss wieder Gesellschafterin der Gesellschaft geworden. Die Gesellschaft wurde durch das Urteil verpflichtet, durch ihren Geschäftsführer eine neue Gesellschafterliste nach § 16 GmbHG zum Registergericht einzureichen, die unsere Mandantin wieder als Gesellschafterin ausweist.

 

1. Ausgangslage bei Ausschließung von Gesellschaftern aus der Gesellschaft:

Die Ausschließung von Gesellschaftern erfolgt in der GmbH in der Regel durch die Einziehung ihrer Geschäftsanteile. Das Gesetz regelt die Einziehung in § 34 GmbHG und unterscheidet zwischen der Einziehung mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters in Abs. 1 und der sog. Zwangseinziehung (d. h. ohne Zustimmung) in Abs. 2. In beiden Fällen bedarf es einer Regelung im Gesellschaftsvertrag, die die Einziehung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafterbeschluss zulässt. Anderenfalls ist die Ausschließung von Gesellschaftern nur durch die Erhebung einer Ausschließungsklage möglich. Der Nachteil der Ausschließungsklage ist, dass die Ausschließung erst mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils wirksam wird. Bei der Einziehung durch Gesellschafterbeschluss scheidet der betroffene Gesellschafter demgegenüber bereits mit der Bekanntgabe des Beschlusses aus der Gesellschaft aus.

In Bezug auf die Zwangseinziehung bestimmt fast jeder Gesellschaftsvertrag, dass die Zwangseinziehung zulässig ist, „wenn in der Person des Gesellschafters ein wichtiger Grund für seine Ausschließung vorliegt“. Ein solcher wichtiger Grund liegt vor, wenn der Gesellschafter durch seine Person oder durch sein Verhalten die Erreichung des Gesellschaftszwecks unmöglich macht oder erheblich gefährdet oder wenn sonst die Person des Gesellschafters oder sein Verhalten die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit ihm für die übrigen Gesellschafter unzumutbar erscheinen lässt. Maßgeblich für die Frage der Unzumutbarkeit des Verbleibs des Gesellschafters ist eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Die Ausschließung eines Gesellschafters ist dabei nur als Ultima Ratio zulässig, d. h., wenn mildere Mittel zur Beseitigung der Störungen im Gesellschaftsverhältnis nicht in Betracht kommen.

 

2. Sachverhalt des konkreten Falls:

Unsere Mandantin war eine Ein-Personen-GmbH, die ihrerseits Gesellschafterin einer dreigliedrigen GmbH, der Beklagten, war. Gegen ihren Alleingesellschafter war ein Ermittlungsverfahren geführt worden, in dessen Verlauf ein Arrest in dessen gesamtes Vermögen verhängt worden war.

Dies hatte in einer ersten Gesellschafterversammlung unter dem Tagesordnungspunkt „Einziehung des Geschäftsanteils“ zu einer entsprechenden Aussprache geführt, an deren Ende die Einziehung nicht beschlossen worden war. Nachfolgend konnte aber der Alleingesellschafter unserer Mandantin wegen des Arrestes seine Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen, was schließlich dazu führte, dass ihm die Ausübung von bestimmten Gewerbetätigkeiten und die Tätigkeit als Vertreter eines Gewerbebetriebes untersagt worden war. Er wurde daraufhin als Geschäftsführer unsere Mandantin im Handelsregister gelöscht, was zur zeitweisen Führungslosigkeit unserer Mandantin führte. Das nahmen die übrigen Gesellschafter zum Anlass, nunmehr die Einziehung des Geschäftsanteils  unserer Mandantin zu beschließen. Dazu beriefen sie sich auf die Satzungsbestimmung, wonach die Einziehung zulässig sein sollte, wenn „in der Person des Gesellschafters ein seine Ausschließung rechtfertigender Grund“ vorliege, insbesondere wenn er „eine Verpflichtung, die ihm nach dem Gesellschaftsvertrag … obliegt, vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat“.

Das Landgericht München hatte unsere Klage auf Beschlussanfechtung der beschlossenen Einziehung der Geschäftsanteile noch abgewiesen.

Das OLG München hat im Gegensatz zur Vorinstanz einen hinreichend wichtigen Grund im Sinne dieser Klausel verneint und unsere Berufung stattgegeben.

 

3. Unsere Anmerkungen zur Entscheidung:

a)

Der Entscheidung des OLG ist aus unserer Sicht im Ergebnis zuzustimmen. Der wichtige Grund ist nach Ansicht des BGH ein Rechtsbegriff, der auch als Einziehungsgrund hinreichend bestimmt sei, da er lediglich die Gesetzeslage wiedergebe. Er liegt nur vor, wenn der Gesellschafter grob und nachhaltig gegen gesellschaftsbezogene Pflichten verstößt und dadurch den übrigen Gesellschaftern nach umfassender Interessenabwägung eine andere Lösung nicht mehr zumutbar ist, die Einziehung also ultima ratio ist, um einen zumutbaren Zustand wieder herzustellen. Das OLG München hatte bereits früher (OLG München, Urt. v. 08.01.1997 - 7 U 4025/96 - BB 1997, 491) erkannt, dass für den „wichtigen Grund“ allein auf die Person des Gesellschafters – dort einen Treuhänder – abzustellen sei und es nur ausnahmsweise auf den Hintermann – den Treugeber – ankomme, wenn dieser die Möglichkeit hat und diese nutzt, auf den Gesellschafter Einfluss zu nehmen und ihn zu gesellschaftsschädigendem Verhalten veranlasst. Das war hier offenbar nicht der Fall. Die vom OLG München untersuchten Gründe erfüllte – mit Ausnahme der Führungslosigkeit – lediglich der hinter  unserer Mandantin stehende Alleingesellschafter. Zwar bestimmt der Alleingesellschafter die Willensbildung in der GmbH und kann auch dem Geschäftsführer Weisungen erteilen. Davon müsste er aber tatsächlich in einer gesellschaftsschädigenden Weise Gebrauch gemacht haben, was hier nicht festgestellt worden ist und wohl auch nicht festgestellt werden konnte, da unsere Mandantin zum Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses führungslos und daher handlungsunfähig und auch unfähig zu gesellschaftsschädigendem Verhalten war.

Allein das abstrakte Risiko einer gesellschaftsschädigenden Einflussnahme kann den gravierenden Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte des Gesellschafters als ultima ratio unter dem Gesichtspunkt des wichtigen Grundes nicht rechtfertigen.

 

b)

Wir hatten durch beide Instanzen argumentiert, dass die Führungslosigkeit unsere Mandantin kein wichtiger Grund für eine Einziehung ist, weil dadurch weder die Gesellschaft in ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigt wird noch gegenüber den Mitgesellschaftern darin ein gesellschaftsvertragswidriges Verhalten gesehen werden kann. Die Gesellschafter werden nicht gehindert, weiterhin ihre Gesellschafterrechte wahrzunehmen und insbesondere in Gesellschafterversammlungen zur Willensbildung in der Gesellschaft beizutragen. Die Führungslosigkeit schließt eine ordnungsgemäße Ladung zu Gesellschafterversammlungen nicht aus, da insoweit der Alleingesellschafter nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG empfangszuständig ist und die Ladungen weiterhin an die Adresse der Gesellschaft gerichtet werden können. Andererseits führt § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG nicht zu einer Aktivvertretung, so dass die Gesellschaft ihre Mitwirkungs- und Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung nicht ausüben kann; darin ist aber kein Verstoß gegen gesellschafterliche Pflichten und kein schwerwiegender Nachteil für die Gesellschaft oder die Mitgesellschafter zu erkennen.

 

4. Praxisrelevanz der Entscheidung für den Ausschluss eines Gesellschafters durch Einziehung von GmbH- Geschäftsanteilen:

a)

Die Einziehung des Geschäftsanteils ist ein schwerwiegender Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte des Betroffenen und „aus wichtigem Grund in der Person des Gesellschafters“ nur als ultima ratio zulässig, wenn dieser Grund unter Abwägung der beteiligten Interessen die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses unzumutbar macht oder der Verbleib des Gesellschafters zu einer ernsten Gefährdung für die Fortführung der Gesellschaft führt. Für die Praxis ist daher festzuhalten, dass  immer sorgfältig geprüft werden muss, ob die Umstände, die für die Einziehung fruchtbar gemacht werden sollen, in der Person des Gesellschafters begründet sind, ob es sich um die Verletzung einer Pflicht aus dem Gesellschaftsverhältnis handelt und sie schließlich so schwerwiegend sind, dass nur die Einziehung als ultima ratio verbleibt, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden.

b)

Im vorliegenden Fall ging es auch noch um die Streitfrage, ob ein wichtiger Grund für den Ausschluss als Gesellschafter überhaupt noch angenommen werden, wenn die Gesellschafter darüber bereits schon einmal entschieden und befunden haben, dass er für eine Einziehung nicht ausreiche. Ein später darauf gestützter Einziehungsbeschluss stellt aus Sicht des OLG ein widersprüchliches Verhalten und die Verletzung eines begründeten Vertrauens dar, denn schon allein die Hinnahme des Verhaltens und der Zeitablauf sprechen objektiv dagegen, dass den Gesellschaftern in Zukunft eine Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden könne.

c)

Die Entscheidung des OLG München verdeutlicht nicht nur die strengen Anforderungen, die die Rechtsprechung an das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Einziehung von Geschäftsanteilen stellt, sondern auch das Erfordernis der rechtzeitigen Geltendmachung von Einziehungsgründen.

d)

Für die Praxis bedeutet das Folgendes: Beabsichtigen Gesellschafter die Ausschließung eines Mitgesellschafters durch die Einziehung seiner Geschäftsanteile, so müssen sie in Betracht kommende Einziehungsgründe nach ihrem Bekanntwerden zügig und sorgfältig prüfen. Begründen die Gesellschafter durch längeres Abwarten bei ihrem Mitgesellschafter die Erwartung, dass sie die ihnen bekannten Einziehungsgründe für eine Einziehung nicht fruchtbar machen werden, laufen sie Gefahr, diese Einziehungsgründe zu verwirken. Eine Einziehung kommt dann allenfalls auf der Grundlage eines anderen wichtigen Grundes in Betracht. Vor dem Hintergrund der rechtlichen Unwägbarkeiten, die die Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes mit sich bringt, sollten Gesellschafter hier möglichst frühzeitig anwaltlichen Rat einholen.

 

Wir helfen Ihnen gerne auch in Ihrem Fall weiter!

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Verfasst am 07.01.2024, Bernd Gasteiger

Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung bei Auftragsverlagerung von Aufgaben im Konzern und bei internationalen Matrixstrukturen - Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in einem anderen Konzernunternehmen

1.

Ein Konzern ist ein Zusammenschluss von Unternehmen unter einheitlicher Leitung (vgl. § 18 I AktG). Bei üblichen Vertragskonstellationen obliegt die Beschäftigungspflicht nur dem einzelnen Unternehmen als Arbeitgeber. Der allgemeine Kündigungsschutz des § 1 ist grundsätzlich betriebsbezogen, in bestimmten Fällen unternehmensbezogen, aber nicht konzernbezogen ausgestaltet. Der Arbeitgeber ist vor einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich nicht verpflichtet zu versuchen, den Arbeitnehmer – analog § 1 II 2 Nr. 1 – in einem Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen (BAG 20.2.2014 – 2 AZR 859/11, NZA 2014).

Dies ergibt sich schon daraus, dass die Weiterbeschäftigung durch ein anderes Unternehmen zwangsläufig zu einem Wechsel des Vertragspartners führen würde. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Verschaffung einer Beschäftigung gegen die Konzernmuttergesellschaft, mit der der Arbeitnehmer vertraglich nicht verbunden ist, wurde analog § 1 II erwogen, wenn ein abhängiges Unternehmen nur formal rechtlich selbständig handelt, tatsächlich jedoch aus konzernstrategischen Gründen angewiesen wird, bestimmte unternehmerische und damit auch betriebliche Kapazitäten auf ein anderes Unternehmen des Konzerns zu verlagern. Diese Überlegungen haben sich nur teilweise durchgesetzt. Eine Interpretation des ultima-ratio-Grundsatzes, die allein auf wirtschaftliche Verbindungen abstellt, verstieße gegen den Wortlaut des § 1 II und stünde mit dem Grundsatz der rechtlichen Trennung von Unternehmen in grundsätzlichem Widerspruch.

Selbst wenn ein herrschendes Unternehmen alle Anteile an weiteren abhängigen Unternehmen besitzt, kann dieser Verbund kündigungsschutzrechtlich nicht wie ein rechtlich einheitliches Unternehmen behandelt werden mit der Folge einer sich auf die Konzernebene erstreckenden Weiterbeschäftigungspflicht.

Das BAG hat aber bestätigt, dass ein konzerndimensionaler Kündigungsschutz auf arbeitsvertragliche Sonderkonstellationen beschränkt bleibt.

2.

a)

Erkennbare Umgehungsfälle werden aber von der gerichtlichen Rechtsmissbrauchskontrolle erfasst. Die Verlagerung von Beschäftigungskapazitäten auf den Betrieb eines anderen Unternehmens aufgrund einer Konzernweisung mit dem alleinigen Ziel, Arbeitnehmer nicht in demselben Unternehmen anderweitig beschäftigen zu müssen, kann als unternehmerische Entscheidung nicht Grundlage eines betrieblichen Erfordernisses.

b)

Bei Verlagerungen von Aufgaben innerhalb des Konzerns wird der Arbeitnehmer bei Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs mehrerer Unternehmen ausreichend geschützt (BAG 28.2.2023 – 2 AZR 227/22, NZA 2023, 578 Rn. 17).

c)

Für besondere arbeitsvertragliche Fallgestaltungen hat das BAG einen konzerndimensionalen Weiterbeschäftigungsanspruch anerkannt.

Eine konzernbezogene Weiterbeschäftigungspflicht kann nicht nur bestehen, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat (BAG 18.10.2012 – 6 AZR 41/11 „Selbstbindung“).

Sie kommt auch in Betracht, wenn sich eine Unterbringungsverpflichtung gegenüber dem Vertragsarbeitgeber unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag, aus einer sonstigen vertraglichen Absprache oder aus einer in der Vergangenheit geübten Praxis – etwa in Form wiederholter Abordnungen – ergibt (BAG 22.11.2012 – 2 AZR 673/11).

Ein Anspruch auf Verschaffung eines freien und geeigneten Arbeitsplatzes bei einem konzernangehörigen Schwester- oder Tochterunternehmens setzt aber in jedem Fall voraus, dass der die Kündigung beabsichtigende Arbeitgeber über die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit verfügt, den betroffenen Arbeitnehmer in einem anderen Konzernunternehmen unterzubringen. Er muss auf die „Versetzung“ bestimmenden Einfluss haben, also – genau gesagt – die Einstellung des Arbeitnehmers durchsetzen können, wobei es keine Rolle spielt, ob die Möglichkeit der Einflussnahme auf Grund rechtlicher Regelungen (zB durch einen Beherrschungsvertrag) oder nur faktisch besteht. Die Entscheidung über die Weiterbeschäftigung darf grundsätzlich nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten sein (vgl. BAG 22.11.2012 – 2 AZR 673/11). Von der Durchsetzbarkeit der Einstellung des Arbeitnehmers ist auszugehen, wenn der Arbeitgeber Inhaber mehrerer Unternehmen ist oder diese beherrscht, oder wenn konzernangehörige Schwesterunternehmen sich gegenüber dem Arbeitgeber zu einer Übernahme von Personal verpflichten oder ihr zugestimmt haben, etwa in einem gemeinsamen Interessenausgleich (BAG 22.11.2012 – 2 AZR 673/11).

Besteht ein einheitliches Konzernarbeitsverhältnis, bei dem sich mehrere rechtlich selbständige Unternehmen insoweit untrennbar miteinander verbunden haben (vgl. BAG 5.12.2019 – 2 AZR 147/19), sind zur Vermeidung einer Kündigung unbesetzte Arbeitsplätze in den Betrieben aller Vertragsarbeitgeber zu berücksichtigen. Ein einheitliches Konzernarbeitsverhältnis wird begründet, wenn mehrere natürliche oder juristische Personen eines Konzerns in arbeitsrechtlichen Beziehungen zu demselben Arbeitnehmer stehen und ein rechtlicher Zusammenhang der arbeitsvertraglichen Beziehungen besteht, der es verbietet, diese rechtlich getrennt zu behandeln. Ein solcher Zusammenhang kann sich aus der Auslegung der geschlossenen Verträge, aber auch aus zwingenden rechtlichen Wertungen ergeben. Anzunehmen ist dies, wenn der Arbeitnehmer über längere Zeit mehrfach in einem anderen Konzernunternehmen beschäftigt wird und kein Fall echter Leiharbeit vorliegt. Ein einheitliches Arbeitsverhältnis kann nach §§ 429 III iVm 425 II BGB nur von allen Arbeitgebern gleichzeitig gekündigt werden. Die betriebsbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn für den betroffenen Arbeitnehmer in keinem der nach dem Arbeitsvertrag verpflichteten Unternehmen weitere Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen.

d)

Zudem kommt ein Wiedereinstellungsanspruch nach § 242 BGB in Betracht, wenn der Arbeitgeber einen entsprechenden Vertrauenstatbestand gesetzt oder wenn er in treuwidriger Weise widersprüchlich gehandelt hat. Allein ein zwischen einem konzernangehörigen Unternehmen und einem Arbeitnehmer vereinbarter konzernweiter Versetzungsvorbehalt im Arbeitsvertrag, der häufig vorkommt reicht dazu nicht. Dies folgt aus dem Verbot von Verträgen zulasten Dritter. Wird der Arbeitnehmer aber nach Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags innerhalb des Konzerns tatsächlich zu einem anderen Unternehmen „versetzt“, kann er im Kündigungsfall regelmäßig jedenfalls dann auf eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit in diesem anderen Unternehmen vertrauen, wenn die Parteien im Zuge der „Versetzung“ eine – ausdrückliche oder konkludente – Anrechnungsvereinbarung über die Vorbeschäftigungszeiten bei anderen Konzernunternehmen getroffen haben.

e)

Ein schützenswertes Vertrauen auf Wiedereinstellung ist auch dann begründet, wenn ein Arbeitgeber, der den Wechsel des Arbeitnehmers zu einem Tochterunternehmen veranlasst und dabei den Anschein erweckt hat, er werde „im Fall der Fälle“ für seine Weiterbeschäftigung sorgen, entgegen dieser Ankündigung bei einer Insolvenz der Tochtergesellschaft einem Beschäftigungsverlangen des Arbeitnehmers nicht nachkommt.

Ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers gegen die Konzernmutter besteht auch, wenn die herrschende Konzerngesellschaft das Unternehmens- und Insolvenzrisiko der abhängigen Konzerntochter und damit das Erfüllungsrisiko von deren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen trägt.

f)

Es gibt zwar auch keinen generellen matrixdimensionalen Kündigungsschutz im internationalen Konzern.

Zu der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit gehört u.a. das Recht festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen. Dies gilt auch für die Aufgabenverlagerung zwischen internationalen Konzernunternehmen.

Schlussendlich kann sich der gekündigte Arbeitnehmer aber auch innerhalb der konzernweiten Matrix auf die bisherige Rechtsprechung zur konzernweiten Weiterbeschäftigung stützen.

Für die Matrixstruktur wird vertreten, dass die Kündigung eines Arbeitnehmers, der aufgrund der Matrixstruktur nicht in dem Vertragsunternehmen, sondern nur im Konzernunternehmen eingegliedert worden ist, dass Konzernunternehmen als "Auch-Arbeitgeber" ebenso an die Vorgaben des Kündigungsschutzgesetz gebunden ist. Soweit die Position jedoch nur vom Vertragsarbeitgeber zum weisungsgebenden Arbeitgeber verschoben werde, dürfte der "Auch-Arbeitgeber" nicht den Wegfall des Arbeitsplatzes begründen können, sondern müsse ebenfalls freie Arbeitsplätze in seinem Unternehmen berücksichtigen.

Sehr häufig ist der Arbeitnehmer in der Matrixstruktur tatsächlichen Vertragsarbeitgeber überhaupt nicht eingegliedert, sondern meistens innerhalb einer Matrix Struktur bei der Konzernmutter organisatorisch und fachlich eingebunden.

Aufgrund der meistens bestehenden tatsächlichen Möglichkeit der Konzernmutter, die Tätigkeiten  des Arbeitnehmers von der Konzernmutter auf eine Tochtergesellschaft und wieder zurück auf die Konzernmutter zu übertragen, kann für den Arbeitnehmer im Sinne eines Vertrauenstatbestandes eine Selbstbindung der Einheit aus Konzernmutter und Vertragsarbeitgeber entstehen mit der Folge, dass es nicht allein auf den Wegfall der Tätigkeiten des Arbeitnehmers bei der Tochtergesellschaft ankommt, sondern auch zu einem Wegfall der Tätigkeiten insgesamt bei der Konzernmutter gekommen sein muss, um die Kündigung betrieblich zu rechtfertigen. Auf die Möglichkeit einer Tochtergesellschaft als Vertragsarbeitgeber, Einfluss auf die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bei der Konzernmutter oder einem anderen Konzernunternehmen zu nehmen, kommt es angesichts dieses Vertrauenstatbestandes dann nicht an.

Daher ist die betriebsbedingte Kündigung der Beklagten gemäß § 1 Abs. 1 und 2 KSchG nicht sozial gerechtfertigt und kann das Arbeitsverhältnis nicht zu beenden. Diese Sichtweise hat beispielsweise das Arbeitsgericht Bonn bejaht. Die Entscheidung trifft der Literatur auf Zustimmung. Diese Betrachtungsweise macht hinsichtlich der Subordinationsverhältnisse im Konzerngeflecht Sinn, denn ansonsten wäre der Arbeitgeber allzu leicht in der Lage, sich dem Vertrauen zu entziehen.

 

3.

Sieht sich ein Arbeitnehmer im internationalen Konzern einer betriebsbedingten Kündigung ausgesetzt, gibt es durchaus eine Reihe von erfolgsversprechend Ansätzen für einen konzerndimensionalen Kündigungsschutz gegen die Kündigung. Als Folge daraus lassen sich trotz Wegfalls einer Beschäftigungsmöglichkeit im Konzernunternehmen eine Weiterbeschäftigung im Konzern durchsetzen oder die Verhandlungsaussichten mit Blick auf eine gut dotierte Abfindung erheblich verbessern.

Sehr gerne helfe ich Ihnen bei Fragen weiter.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Bernd Gasteiger LL.M.
Rechtsanwalt , Fachanwalt für Arbeitsrecht,
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht     

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Verfasst am 06.01.2024, Bernd Gasteiger

Verjährung Pflichtteil droht - Einleitung eines Erbscheinverfahrens nicht immer zur Hemmung ausreichend

  1. Ausgangssituation

 

Wann verjährt der Pflichtteilsanspruch?

 

Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch entstehen mit dem Erbfall. Sie müssen allerdings gefordert werden, ansonsten verjähren sie binnen drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem die berechtigte Person Kenntnis vom Erbfall und der Enterbung erlangt hat. Fristende ist also stets erst der 31. Dezember des Jahres, in dem die drei Jahre verstrichen sind. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch, der gegen den Beschenkten geltend gemacht wird, verjährt kenntnisunabhängig und tagesgenau binnen drei Jahren ab dem Erbfall.

 

Wo muss man den Pflichtteil geltend machen?

 

Den Pflichtteil sowie den vorgelagterten Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch fordert man direkt von dem Erben bzw. der Erbengemeinschaft. Wird der Anspruch nicht erfüllt bzw. keine außergerichtliche Einigung erzielt, kann der Anspruch gerichtlich beim Zivilgericht eingeklagt werden.

 

Hemmung der Verjährung

 

Wer die Wirksamkeit eines Testaments angreift, durch das er enterbt ist, sollte die Verjährungsfrist des Pflichtteilsanspruchs immer im Blick haben. Ein Erbscheinsverfahren oder ein anderes Verfahren hemmt diese Verjährung der Pflichtteile nicht automatisch.

 

Pflichtteilsansprüche und auch Pflichtteilsergänzungsansprüche unterliegen der kurzen Regelverjährung von drei Jahren nach §§ 195, 199 BGB.

 

 

  1. Voraussetzung für einen Verjährungsbeginn

 

a)

 

Voraussetzung für das Anlaufen der Verjährung ist nicht lediglich die Anspruchsentstehung, sondern daneben Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände und der Person des Schuldners (§ 199 I BGB). Im Fall der Pflichtteilsberechtigung genügt deshalb nicht Kenntnis vom Todesfall an sich. Hinzutreten muss vielmehr die Kenntnis des Berechtigten von der enterbenden oder beeinträchtigenden Verfügung von Todes wegen bzw. Verfügung unter Lebenden. Dies setzt voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte nicht nur allgemein von deren Existenz erfährt, sondern auch ihren wesentlichen Inhalt mit dem daraus resultierenden Ausschluss seines Erbrechts erkennt, ohne dass er freilich alle Einzelheiten erfasst haben muss.

 

b)

 

Berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit der Enterbung schließen die erforderliche Kenntnis aus und verzögern den Verjährungsbeginn so lange, wie sie nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind. Die erforderliche Kenntnis kann auch fehlen, wenn der Berechtigte infolge Tatsachen- oder Rechtsirrtums davon ausgeht, die ihm bekannte Verfügung sei unwirksam und entfalte daher keine beeinträchtigende Wirkung. Das gilt jedenfalls dann, wenn Wirksamkeitsbedenken nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind.

 

(1)

 

Streiten Erbprätendenten über die Wirksamkeit eines Testaments, durch das frühere Testamente widerrufen worden sind, die u.a. ein Vermächtnis enthalten, hat die durch das Vermächtnis Begünstigte i.d.R. keine den Lauf der Verjährungsfrist auslösende Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände und ist auch nicht auf Grund grober Fahrlässigkeit in Unkenntnis, solange die Beweisaufnahme über die Echtheit des späteren Testaments und die Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt seiner Errichtung nicht abgeschlossen ist.

 

Berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit der beeinträchtigenden Verfügung, nicht aber der davon unabhängige Irrtum über das Bestehen des Pflichtteilsrechts aus anderen Gründen, etwa der Unwirksamkeit eines Pflichtteilsverzichts schließen die erforderliche Kenntnis ebenfalls aus.

 

(2)

 

Zweifel an der Testierfähigkeit verzögern den Verjährungsbeginn so lange, wie sie nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind, wobei aber volle Überzeugung von der Rechtswirksamkeit der beeinträchtigenden Verfügung ebenfalls nicht erforderlich ist.

 

Beispiel: im Hinblick auf die teilweise Betreuung des Erblassers und die Umstände der Testamentserrichtung im Zusammenhang mit dessen Krankheit können zunächst berechtigte Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers bestehen. Diese Wirksamkeitsbedenken verzögern den Verjährungsbeginn aber nur solange, wie sie nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind. Abzustellen ist insoweit auf den Zeitpunkt, zu dem ein vernünftig Denkender seine Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments zurückgestellt und seine Wirksamkeit anerkannt hätte.

 

Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments sind beispielsweise dann zurückzustellen, wenn in einem Erbscheinsverfahren der zur Frage der Testierfähigkeit beauftragte Sachverständige zu dem Ergebnis kommt, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung testierfähig war.

 

Im vorliegenden Fall bestanden derartige Bedenken gegen die Wirksamkeit des Testaments, die nicht von vornherein von der Hand zu weisen waren.

 

Zur Hemmung von Pflichtteilsansprüchen im Erbscheinsverfahren bei Geltendmachung von Tesierunfähigkeit auch OLG Hamm, Urteil vom 02.03.2023 - 10 U 108/21:

 

„ Der Kläger hatte im Erbscheinsverfahren vorgetragen, er gehe von einer die Testierfähigkeit des Erblassers ausschließenden Demenz aus, weil er seit dem Jahr 2007 Veränderungen wahrgenommen habe, wobei ihm deutliche Anzeichen für eine dementielle Verwirrtheit allerdings erst im Jahr 2011 aufgefallen seien (Bl. 3 der Beiakte 80 VI 374/16 AG P.). Dass der Kläger mangels eines näheren Kontakts zum Erblasser in der Zeit zwischen 2007 und 2010 keine detaillierteren Tatsachen zum Zustand des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Jahr 2009 benennen konnte, diese ihm vielmehr erst im Verlauf des Beschwerdeverfahrens durch das Sachverständigengutachten bekannt geworden sind, ist unerheblich. Denn immerhin hat der Sachvortrag des Klägers den 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm im Beschwerdeverfahren zur Einholung eines Sachverständigengutachtens bewogen.

 

Erstmals hatte der Senat dort bereits mit einer Verfügung des Berichterstatters vom 15.02.2018 darauf hingewiesen, dass der Vortrag des Klägers zu der Frage der Testierfähigkeit des Erblassers als noch ausreichend erscheine, um diese Frage von Amts wegen weiter aufzuklären (Bl. 103/104 Beiakte 80 VI 374/16 AG P.). Sodann hatte der Berichterstatter mit Verfügung vom 03.01.2019 darauf hingewiesen, dass sich aus den zwischenzeitlich beigezogenen Behandlungsunterlagen des Hausarztes des Erblassers erhebliche Anhaltspunkte für eine schwerwiegende kognitive Beeinträchtigung des Erblassers bereits im Jahre 2009 ergeben - deshalb werde die Einholung eines gerontopsychiatrischen Sachverständigengutachtens in Erwägung gezogen (Bl. 132 Beiakte 80 VI 374/16 AG P.).

 

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Begutachtung durch den gerichtlich beauftragten Sachverständigen R. waren die vom Kläger vorgetragenen Bedenken gegen die Wirksamkeit des Testaments auch durchaus berechtigt.

 

Der Sachverständige hat in seinem Gutachten die Bedenken des Klägers zwar nicht in dem Sinne bestätigt, dass für den hier maßgeblichen Zeitraum Februar 2009 mit der nötigen Sicherheit eine Testierunfähigkeit des Erblassers festgestellt werden konnte. Nach den Ergebnissen der Begutachtung war der Erblasser aber im Oktober 2008 wegen einer akuten Dekompensation in stationärer psychiatrischer Behandlung. In dem Entlassungsbericht vom 24.10.2008 seien - so der Sachverständige - kognitive Defizite des Erblassers beschrieben worden (Gutachten S. 16/18). Mangels anderer Informationen sei aber davon auszugehen, dass die aufgrund der Behandlung eingesetzte Besserung bis Februar 2009 angehalten habe (Gutachten S. 48). Im Februar 2009 sei die Demenz zwar sicherlich weiter fortgeschritten gewesen. Es lasse sich aber nicht feststellen, wie sehr die kognitive Verfassung des Erblassers eingeschränkt gewesen sei (Gutachten S. 47). Damit hat der Sachverständige eine Testierunfähigkeit des Erblassers jedoch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen.“

 

  1. Zusammenfassung

 

Geboten ist insoweit immer eine Einzelfallbetrachtung. Allein das Fortdauern eines Erbscheinsverfahrens führt daher nicht dazu, dass von Unkenntnis von Pflichtteilsansprüchen auszugehen ist, zumal die Entscheidung im Erbscheinsverfahren ohnehin nicht zu einer materiellen Rechtskraft führt. Es genügt für eine solche – den Verjährungsbeginn hemmende – „Unkenntnis” nicht, dass bis zum Ende des Erbscheinverfahrens nicht hinreichend sicher feststand, ob der Antragsteller lediglich pflichtteilsberechtigt war. Hierzu müssen „erhebliche rechtliche Zweifel, verwickelte oder zweifelhafte Rechtsfragen” vorliegen, die – bevor Kenntnis bejaht werden kann – „eine gewisse Klärung gefunden haben müssen”.

 

Bei Fragen rund um das Erbrecht und bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen stehe ich Ihnen gerne anwaltlich beratend zur Seite.

 

Mit freundlichen Grüßen

Bernd Gasteiger LL.M.
Rechtsanwalt , Fachanwalt für Arbeitsrecht,
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht     

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Verfasst am 12.12.2022, Bernd Gasteiger

Ist nach Corona in der endemischen Phase ein fortgesetzter Verbleib im Home Office möglich?

Befristet bis zum 19.3.2022 sah das Infektionsschutzgesetz eine weitgehende gesetzliche Verpflichtung für Arbeitgeber zur Gewährung von Home Office vor.

Wenige Arbeitgeber haben die gesamte Belegschaft sofort wieder an ihren betrieblichen Arbeitsplatz zurückbeordert. Viele Arbeitgeber haben ihre Arbeitnehmer auch vor dem Hintergrund anhaltend hoher Inzidenzwerte freiwillig weiterhin am häuslichen Arbeitsplatz arbeiten lassen und stellen den Büroalltag erst schrittweise wieder her. Es ist der Wunsch vieler Arbeitnehmer, die durchaus als komfortabel und effizient angesehene Home Office-Situation unabhängig vom Pandemiegeschehen aufrecht zu erhalten.

Arbeitsrechtliche Ausgangssituation

Arbeitnehmer haben grundsätzlich keinen Anspruch darauf, im Home Office zu arbeiten. Wie so oft kommt es auch hier auf den Einzelfall an. Gewährt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern aber über einen längeren Zeitraum die Arbeit aus dem Home Office, kann darin eine konkludente Änderung des Arbeitsvertrages im Hinblick auf den geschuldeten Arbeitsort liegen. Dies kommt sowohl in Form der Konkretisierung des Direktionsrechts, als auch bei einer kollektiven Gestattung in Form einer betrieblichen Übung, in Betracht.

1. Konkretisierung des Direktionsrechts

Für eine individuelle Konkretisierung des Direktionsrechts ist entscheidend, ob sich der Arbeitgeber aus Sicht des Arbeitnehmers aus objektiver Sicht rechtsgeschäftlich binden wollte, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung künftig nur noch im Home Office erbringen dürfen. In diesem Zusammenhang dürfte zwischen der Zeit der noch anhaltenden Pandemie und dem Übergang in eine endemische Phase zu unterscheiden sein.

Was gilt nun, wenn Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer auch nach Abflachen des Infektionsgeschehens nicht zunächst nicht wieder ins Büro zurückbeordert haben, sondern diese dort zunächst haben weiterarbeiten lassen. In diesem Fall kann der Gesundheitsschutz wohl nicht mehr als Auslegungskriterium herangezogen werden.

Nach dem BAG kann der Arbeitnehmer jedoch allein aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber eine bisherige Praxis über eine lange Zeit unverändert gelassen hat, ohne das Hinzutreten „besonderer Umstände“ noch nicht schließen, der Arbeitgeber wolle künftig auf die Ausübung seines Direktionsrechts für den Fall Home Office im Hinblick auf den Arbeitsort verbindlich verzichten. Etwas anderes ist nur denkbar, wenn der Arbeitgeber erkennbar dem Interesse der einzelnen Arbeitnehmer an einer dauerhaften Tätigkeit im Home Office Rechnung tragen wollte. Treten derartige Umstände neben dem reinen Zeitablauf nicht hinzu, lässt sich aus dem bloßen Verbleib der Arbeitnehmer im Home Office auch nach Abflachen des Infektionsgeschehens ein Rechtsanspruch nicht herleiten.

Hierzu auch das LAG München, Urteil vom 26.8.2021 – 3 SaGa 13/21:

Ein Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer gestattet hat, seine Tätigkeit als Grafiker von zu Hause aus zu erbringen, ist nach § 106 Satz 1 GewO grundsätzlich berechtigt, seine Weisung zu ändern, wenn sich später betriebliche Gründe herausstellen, die gegen eine Erledigung von Arbeiten im Homeoffice sprechen. Nach dem Willen des Verordnungsgebers vermittelt § 2 Abs. 4 SARS-CoV-2-ArbSchVO kein subjektives Recht auf Homeoffice.

Aber: Arbeitgeber hat nach billigem Ermessen vorzugehen

Die Weisung des Arbeitgebers hatte in dem der Entscheidung des LAG München zugrundeliegenden Fall die Grenzen billigen Ermessens gewahrt, da zwingende betriebliche Gründe der Ausübung der Tätigkeit des Arbeitnehmers im Homeoffice entgegenstanden. So entsprach die technische Ausstattung am häuslichen Arbeitsplatz nicht der am Bürostandort. Zudem war nicht gewährleistet gewesen, dass Daten in vergleichbarer Weise wie unter Nutzung des Firmennetzwerks vor dem Zugriff Dritter geschützt seien.

Auch das allgemeine Risiko einer Ansteckung mit Covid-19 stand der Weisung nicht entgegen, da dieses durch ein Hygienekonzept und Einzelbüros am Standort des Arbeitgebers als gering einzuschätzen war.

 

2. Anspruch auf Home Office aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz

Ein Anspruch aus Gleichbehandlungsgrundsatz setzt voraus, dass der Arbeitgeber eine Gruppe von Arbeitnehmern, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, aufgrund einer selbst gesetzten abstrakten Regel ohne sachlichen Grund ungleich behandelt. Dem Unternehmen steht es jedoch zu, einzelne Mitarbeiter aufgrund individueller Regelung begünstigend zu behandeln. Regelmäßig wird es einzelnen Beschäftigten aufgrund individueller Vereinbarung das Homeoffice zusprechen. Sollte dies in der Praxis so der Fall sein, ist die Geltendmachung eines Anspruchs durch andere aus Gleichbehandlungsgründen grundsätzlich nicht zu befürchten.

 

3. Betriebliche Übung

Die vorgenannten Grundsätze gelten gleichermaßen auf kollektiver Ebene für die Annahme einer betrieblichen Übung. Mithin führt auch die kollektive Fortsetzung des Home Office in der Regel ohne das Vorliegen besonderer Umstände nach der Pandemie zu einem verbindlichen Rechtsanspruch.

Das Entstehen einer betrieblichen Übung erfordert grundsätzlich ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, aus dem dieser schließen durfte, der Arbeitgeber wolle sich zu der gewährten Leistung auch in Zukunft verpflichten. Eine betriebliche Übung scheidet demnach aus, wenn der Mitarbeiter nur unregelmäßig und mit zeitlichen Zäsuren seine Tätigkeit aus dem Homeoffice wahrnimmt.

Im Übrigen ist zweifelhaft, ob das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung bzgl. der Gewährung von Home Office überhaupt einschlägig sein kann. Unter betrieblicher Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Bei der Gewährung von Home Office handelt es sich hingegen nicht um eine Zuwendung des Arbeitgebers, sondern um die Konkretisierung der Leistungspflicht des Arbeitnehmers. Im Übrigen kann sich die Arbeit im Home Office je nach Einzelfall und Interessenlage des Arbeitnehmers auch als belastend darstellen – eine „belastende betriebliche Übung“ kann es indes nicht geben. Beispielsweise entsteht auch keine betriebliche Übung bei Zigarettenpausen, vgl. LAG Nürnberg, Urteile vom 5.8.2015 – 2 Sa 132/15 und 5.11.2015 – 5 Sa 58/15 (rechtskräftig). Auch in diesem Fall fehlt es an einem hinreichend bestimmtes Leistungsangebot durch Arbeitgeber mangels Kenntnis über Häufigkeit und Dauer der Raucherpausen.

 

4. Fazit

In der Regel ergibt sich aus dem rein tatsächlichen Verbleib der Arbeitnehmer im Home Office kein Rechtsanspruch; der vertraglich geschuldete Arbeitsort konkretisiert sich hierdurch nicht auf den häuslichen Arbeitsplatz. Sofern eine individuelle oder kollektive Vereinbarung nicht besteht, bleibt es dem Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechtes gem. § 106 GewO möglich, die Arbeitnehmer unter Berücksichtigung billigen Ermessens und Einhaltung der arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben an die betriebliche Arbeitsstätte zurückzubeordern.

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Verfasst am 29.11.2022, Bernd Gasteiger

Sonderkündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte – EuGH und BAG stärken die Rechte

Datenschutzbeauftragte werden durch die deutsche und die europäische Rechtsordnung besonders geschützt. Als bedeutender Teil des Datenschutzkontrollsystems sollen sie sich möglichst unabhängig der Einhaltung und Durchführung der Datenschutzvorschriften widmen. Zu diesem Zweck genießen sie eine Reihe arbeitsrechtlicher Privilegien.

 

Einleitung:

Als weitestreichendes Privileg genießen Datenschutzbeauftragte einen echten Sonderkündigungsschutz. Dieser wurde durch das Änderungsgesetz vom 14.8.2009 in § 4 f III 5 BDSG aF eingeführt. Hierdurch sollte die Position des Beauftragten für den Datenschutz nochmals gestärkt und an vergleichbare Funktionsträger angepasst werden, für die bereits ein Sonderkündigungsschutz bestand, wie zB für den Gewässerschutz-, Immissionsschutz- oder Abfallbeauftragten. Die DS-GVO enthält keinen Sonderkündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten. Der Gesetzgeber des BDSG hat den bisherigen Abberufungs- und Kündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten ausdrücklich als Ergänzung zur DS-GVO beibehalten. Zu dieser spezifisch arbeitsrechtlichen Regelung bedurfte es keiner expliziten Öffnungsklausel. Vielmehr hat die EU auf den jeweils weit gefassten Gebieten der „Arbeitsbedingungen“ und dem „Schutz der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrags“ nach Art. 153 I Buchst. b, d, II AEUV lediglich die Kompetenz zum Erlass von nicht harmonisierenden Richtlinien, nicht jedoch von Verordnungen.

Seit dem 25.05.2018 müssen Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten bestellen, wenn sich mindestens zehn Personen ständig mit der Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen. Der zu bestellende Datenschutzbeauftragte ist in Fragen des Datenschutzes vom Arbeitgeber weisungsunabhängig und darf weder abberufen noch benachteiligt werden. Er ist dafür zuständig, die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu überprüfen.

Mit Inkrafttreten der europäischen DSGVO wurde das alte Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) durch ein neues Bundesdatenschutzgesetz ersetzt. Die DSGVO enthält selbst keinen besonderen Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte. Dieser ergibt sich nunmehr Art. 38 Abs. 2 BDSG i. V. m. Art. 6 Abs. 4 BDSG. Der besondere Kündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten greift somit ab dem Zeitpunkt seiner Bestellung.

  1. Rechtsgrundlagen des Kündigungsschutzes

Die zuvor auf Bundesebene einheitliche Rechtsgrundlage des § 4 f III 5, 6 aF BDSG ist seit dem Inkrafttreten des neu gefassten BDSG am 25.5.2018 gespalten. Eine Kündigung ist nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die die öffentliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Für nichtöffentliche Stellen verweist § 38 II BDSG für den Fall eines verpflichtend zu benennenden Datenschutzbeauftragten auf § 6 IV 2, 3 BDSG.

Merke:

Der Sonderkündigungsschutz betrifft somit, genau wie § 4 f III 5 BDSG aF dies noch ausdrücklich normierte, nur die Fälle, in denen der Arbeitgeber zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet ist.

Mithin muss, sofern es sich nicht um öffentliche Stellen handelt, entweder der Schwellenwert des § 38 I 1 BDSG überschritten oder § 38 I 2 BDSG erfüllt sein. Für Datenschutzbeauftragte, deren Stelle nicht zur Benennung verpflichtet ist, gilt heute lediglich das allgemeine Abberufungs- und Benachteiligungsverbot des Art. 38 III 2 DSGVO, da § 38 II BDSG für diesen Fall nicht auf § 6 IV BDSG verweist.

Ein umfassender Schutz vor ordentlichen Kündigungen besteht in diesen Fällen nicht. Umso bedeutsamer wird insofern für Datenschutzbeauftragte von freiwillig benennenden Stellen das allgemeine Benachteiligungsverbot nach Art. 38 III 2 DS-GVO bzw. § 6 III 3 BDSG: Erfolgt eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung des Beauftragten „wegen der Erfüllung seiner Aufgaben“ bzw. aus Gründen, die mit der Amtsausübung in untrennbarem Sachzusammenhang stehen, ist sie bereits infolge des Benachteiligungsverbots unwirksam.

Von dem Fall, in dem eine Stelle nicht zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet ist, ist die Konstellation zu unterscheiden, in der eine Stelle, die zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet ist, freiwillig zwei oder mehrere Datenschutzbeauftragte benennt. Dies ist grundsätzlich zulässig und im Sinne des Vier-Augen-Prinzips sogar teleologisch wünschenswert. Auch für diese zusätzlich benannten Datenschutzbeauftragten greift der besondere Abberufungs- und Kündigungsschutz des § 6 IV BDSG sowie der Verweis des § 38 II BDSG. Letzterer privilegiert kleinere Stellen, die nicht in den Anwendungsbereich des § 38 I BDSG oder jenen des Art. 37 I Buchst. b, c DSGVO fallen. Dort soll der Arbeitgeber nicht durch den Sonderkündigungsschutz von der freiwilligen Benennung eines Datenschutzbeauftragten abgehalten werden. Entscheidet sich jedoch ein ohnehin zur Benennung verpflichteter Arbeitgeber freiwillig dazu, mehrere Datenschutzbeauftragte zu benennen, wäre es nicht sachgerecht, den Verweis des § 38 II BDSG lediglich auf den zuerst Benannten zu beziehen.

Aus dem Wortlaut des § 6 IV 2, 3 BDSG, der ausdrücklich auf die Kündigung des „Arbeitsverhältnisses“ abstellt, geht hervor, dass der Sonderkündigungsschutz ausschließlich für interne Datenschutzbeauftragte gilt. Externe Datenschutzbeauftragte werden angesichts der erforderlichen Weisungsunabhängigkeit nicht aufgrund eines Arbeitsvertrags für den Verantwortlichen tätig.

  1. Inhalt des Kündigungsschutzes

Greift der Sonderkündigungsschutz des § 6 IV 2 (iVm § 38 II) BDSG, ist eine ordentliche Kündigung des Datenschutzbeauftragten ausgeschlossen. Erfasst werden sämtliche ordentliche Beendigungs- und Änderungskündigungen, nicht jedoch Aufhebungsverträge. Zulässig bleibt allein die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund. Als ein solcher kommt jeder Grund aus dem Arbeitsverhältnis in Betracht, der die Kündigung nach § 626 BGB legitimiert. Der wichtige Grund muss nicht aus der Funktion als Datenschutzbeauftragter resultieren.

Umgekehrt legitimiert ein „wichtiger Grund“ iSd § 6 IV 1 (iVm § 38 II) BDSG, der die Abberufung des Datenschutzbeauftragten rechtfertigt, nicht zwangsläufig die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Fehlt es nur an der Eignung zur Fortführung des datenschutzrechtlichen Amts, ohne dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen unzumutbar ist, oder sind die gesetzlichen Voraussetzungen zur verpflichtenden Benennung entfallen, kommt nur die isolierte Abberufung, nicht aber die umfassende außerordentliche Beendigungskündigung in Betracht.

Eine analoge Anwendung von § 15 V 2, IV KSchG im Rahmen der Kündigung eines Datenschutzbeauftragten im Fall der Betriebsstilllegung ist abzulehnen.

 

Insbesondere wird auch eine Kündigung des Datenschutzbeauftragten aus betriebsbedingten Gründen regelmäßig ausgeschlossen sein.

Der datenschutzrechtliche Sonderkündigungsschutz ist insoweit abschließend.

Der Sonderkündigungsschutz tritt ab dem Zeitpunkt der wirksamen Benennung ein. Er greift auch bereits in der Probezeit. Andernfalls wäre während der Probezeit die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten nicht gewährleistet und hätte ein Unternehmer die Möglichkeit, nur Arbeitnehmer als Datenschutzbeauftragte einzusetzen, die sich noch in der Probezeit befinden. Als weiteres Instrument der Unabhängigkeitssicherung schreibt § 6 IV 3 (iVm § 38 II) BDSG den Sonderkündigungsschutz für die Dauer eines Jahres nach Abberufung fort. Dieser nachwirkende Schutz wurde zeitgleich mit dem Sonderkündigungsschutz im damaligen § 4 f III 6 aF BDSG eingeführt. Auch dies erfolgte in Anlehnung an die Vorschriften bei vergleichbaren Funktionsträgern. Der Abberufung im Sinne des nachwirkenden Schutzes steht jede andere Beendigung der Benennung gleich, etwa auch die freiwillige Amtsniederlegung. Entsprechendes gilt – wie das BAG zur früheren Rechtslage jüngst entschieden hat – auch für den Verlust des Sonderkündigungsschutzes durch bloßes Unterschreiten des Schwellenwerts.

  1. EuGH stärkt Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten

Der EuGH stärkt in seinem Urteil vom 22. Juni 2022, Az. C – 534/20 die Stellung des internen Datenschutzbeauftragten. Durch den als europarechtskonform beurteilten Sonderkündigungsschutz wird die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten, der als Arbeitnehmer in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zu dem Arbeitgeber steht, gefördert.

  1. Aktuelle Entscheidung BAG Urteil vom 25. August 2022 – 2 AZR 225/20

Die normative Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes von betrieblichen Datenschutzbeauftragten verstößt nicht gegen die Grundrechte des Arbeitgebers aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 GG. Es handelt sich nach BAG um eine geeignete, erforderliche wie auch angemessene Einschränkung der Berufsfreiheit des Arbeitgebers, die im Wesentlichen dem Sonderkündigungsschutz für Betriebsräte (§ 15 Abs. 1 KSchG) oder Immissionsschutzbeauftragte (§ 58 Abs. 2 BImSchG) entspricht.

Der Eingriff in die Berufsfreiheit des Arbeitgebers erheblich. Denn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird dem Arbeitgeber genommen, selbst wenn der Kündigungssachverhalt nichts mit der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter zu tun hat.

  1. Fazit:

Wird ein interner Mitarbeiter Datenschutzbeauftragter und ist der Arbeitgeber zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet, dann greift der Sonderkündigungsschutz anders als der allgemeine Kündigungsschutz auch schon vor Ablauf der Wartezeit (§ 1 KSchG) und in kleinen Betrieben (§ 23 KSchG) unabhängig von der Betriebsgröße. Selbst nach der Abberufung des Datenschutzbeauftragten steht diesem ein nachwirkender Kündigungsschutz zu (§ 6 Abs. 4 S. 3 BDSG).

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Verfasst am 21.06.2022, Bernd Gasteiger LL.M.

Muss ich oder mein Chef Überstunden beweisen?

Wer Überstunden macht, kann diese grundsätzlich ausbezahlt bekommen oder dafür Freizeitausgleich erhalten. Aber wie wird festgestellt, wie viele Überstunden tatsächlich bestehen? Muss der Arbeitnehmer selbst die Ableistung seiner Überstunden beweisen oder der Arbeitgeber das Gegenteil? Mit dieser Frage musste sich das Bundesarbeitsgericht aktuell wieder einmal auseinandersetzen.

1.

Das BAG hat mit Urteil vom 04.05.2022 - 5 AZR 359/21 aktuell entschieden, dass der Arbeitnehmer zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden zunächst darzulegen hat, Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten zu haben. Zum anderen muss der Arbeitnehmer vortragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat.

a)

Konkret ging es im Urteil um einen ehemaligen Auslieferungsfahrer, der nach seiner Kündigung 348 nicht abgegoltene Überstunden ausbezahlen lassen wollte. Das Unternehmen wollte ihm die über 5.000 EUR nicht zahlen, da der Fahrer während der Arbeit zahlreiche Pausen eingelegt habe – die er zwar nicht habe eintragen können – deren Abhaltung allerdings angeordnet gewesen sei.

Zudem hätte der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber zufolge die Arbeit gar nicht ohne Pausen erledigen können, da er ein „starker Raucher“ gewesen sei. Der ehemalige Auslieferer hatte dem entgegengehalten, dass er gar keine Gelegenheit gehabt habe, um Pausen einzulegen, so viel habe er zu tun gehabt.

b)

Das ArbG Emden hatte der Klage des Klägers zunächst mit der Begründung stattgegeben, durch das Urteil des EuGH vom 14.05.2019 (C-55/18 – „CCOO“), wonach die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen, die Darlegungslast im Überstundenvergütungsprozess modifiziert werde. Die positive Kenntnis von Überstunden als eine Voraussetzung für deren arbeitgeberseitige Veranlassung sei jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitgeber sich die Kenntnis durch Einführung, Überwachung und Kontrolle der Arbeitszeiterfassung hätte verschaffen können. Ausreichend für eine schlüssige Begründung der Klage sei, die Zahl der geleisteten Überstunden vorzutragen. Da die Beklagte ihrerseits nicht hinreichend konkret die Inanspruchnahme von Pausenzeiten durch den Kläger dargelegt habe, sei die Klage begründet.

c)

Das LAG Niedersachsen hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage – mit Ausnahme bereits von der Beklagten abgerechneter Überstunden – abgewiesen.

d)

Das BAG urteilte, dass das LAG Niedersachsen als Berufungsgericht richtig erkannt habe, dass vom Erfordernis der Darlegung der arbeitgeberseitigen Veranlassung und Zurechnung von Überstunden durch den Arbeitnehmer auch nicht vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung des EuGH abzurücken ist.

2.

Hinweise für die Praxis:

a)

Wird der Arbeitnehmer gekündigt oder kündigt er selbst, greift die vertragliche Regelung für Überstunden – d.h. abfeiern oder ausbezahlen. Das gilt nicht, wenn es sich um eine fristlose außerordentliche Kündigung handelt.

Da diese sofort wirksam ist, kommt ein Freizeitausgleich nicht mehr in Betracht und die geleisteten Stunden müssen ausgezahlt werden. Gibt es keine Regelung im Arbeitsvertrag, greift die gesetzliche und der Arbeitnehmer hat grundsätzlich einen Anspruch auf Vergütung.

b)

Die EuGH-Urteil beeinflusst die deutsche Beweislast bei Überstunden nicht. Der der auch aus Sicht des BAG zutreffenden Auffassung des Landesarbeitsgerichts in zweiter Instanz fehlt den Europarichtern gem. Art. 253 Abs. 5 AEUV schlichtweg die Kompetenz dazu, Entscheidungen über das Arbeitsentgelt zu treffen. Das EuGH-Urteil ist lediglich zur Auslegung und Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und von Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergangen und hat damit nach Ansicht des BAG keinen Einfluss auf die Darlegungs- und Beweislast im deutschen Überstundenvergütungsprozess.

c)

Der Arbeitnehmer trägt weiterhin die Beweislast für geleistete Überstunden und muss außerdem darlegen, dass diese ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt wurden. Einem Arbeitgeber, der keine Zeiterfassung einführt, trifft folglich bei Vergütungsfragen wie der Überstundenabgeltung keine geänderte Beweislast.

d)

Der Arbeitnehmer genügt der ihm obliegenden Darlegungslast für die Leistung von Überstunden in erster Stufe zunächst, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat, so vgl. BAG, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 5 AZR 362/16.

 

Ich helfe Ihnen bei arbeitsrechtlichen Fragestellungen gerne weiter.

 

Rechtsanwalt Bernd Gasteiger LL.M.

Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Verfasst am 21.06.2022, Bernd Gasteiger LL.M.

Einsatz von einstweiligen Verfügungen gegen die Einreichung und Berichtigung von ( fehlerhaften ) GmbH- Gesellschafterlisten bei Gesellschaftsstreitigkeiten

  1. Einleitung

Die Gesellschafterliste hat spätestens durch das MoMiG im Jahr 2008 an Bedeutung gewonnen und galt fortan neben dem Gesellschaftsvertrag als „Zentraldokument der GmbH und ihrer Gesellschafter“. Die Gesellschafterliste gibt wieder, wer im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter gilt und damit Gesellschafterrechte (z.B. Stimm-, Teilnahme-, Rede- und Einsichtsrechte) ausüben kann. Diese sog. Legitimationswirkung (§§ 16, 40 GmbHG) besteht selbst dann, wenn die Gesellschafterliste inhaltlich unrichtig ist. Durch die in § 16 I 1 GmbHG statuierte Legitimationswirkung gilt derjenige, der als Gesellschafter in die in das Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste eingetragen ist, gegenüber der Gesellschaft als Gesellschafter und zwar unabhängig von seiner materiell-rechtlichen Berechtigung. Sogar bei eingezogenen und nunmehr nicht mehr existenten Geschäftsanteilen gilt die Legitimationswirkung des § 16 I 1 GmbHG fort.

Wird in einer GmbH ein Beschluss über die Ausschließung eines Gesellschafters gefasst und von der Versammlungsleitung festgestellt, ist der Ausgeschlossene auf einstweiligen Rechtsschutz angewiesen, wenn er gegen seine Ausschließung vorgehen möchte. Nur so kann der Ausgeschlossene erwirken, in der Zwischenzeit (bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über seine Anfechtungsklage) weiterhin als Gesellschafter behandelt zu werden.

Anderenfalls reicht die Geschäftsführung der GmbH eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister ein, in welcher der Ausgeschlossene nicht mehr als Gesellschafter ausgewiesen ist. Dies hat zur Folge, dass der Ausgeschlossene (selbst wenn der Ausschluss gar nicht wirksam ist) als Nicht-Gesellschafter zu behandeln wäre.

Im Rahmen von Streitigkeiten im Gesellschafterkreis und Auseinandersetzung gegenüber dem Unternehmensmanagement spielt somit der einstweilige Rechtsschutz, insbesondere die einstweilige Verfügung, eine überragende Rolle. Wird ein (unwirksamer) Gesellschafterbeschluss über die Einziehung oder Zwangsabtretung der GmbH- Geschäftsanteile eines Gesellschafters gefasst, kann dieser dagegen zwar mit der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage vorgehen. Eine Entscheidung ist regelmäßig aber erst nach Monaten, mitunter sogar erst nach Jahren zu erwarten. Wurde für die Zwischenzeit eine neue Gesellschafterliste beim Handelsregister hinterlegt, verliert der Gesellschafter bis zur Entscheidung die Möglichkeit, seine Gesellschafterrechte auszuüben.

Die Legitimationswirkung spielt bei Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern somit eine überragende Rolle.

 

  1. Formale und materielle Voraussetzungen der einstweiligen Verfügung – Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund

 

  • Verfügungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Verfügung

 

a)

Der Verfügungsanspruch beruht auf dem Gesellschaftsvertrag. Wenn der Gesellschafterbeschluss wegen formaler Fehler oder aus materiell rechtlichen Gründen, z.B. wegen Fehlens eines wichtigen Einziehungsgrundes unwirksam ist, hat der betroffene Gesellschafter den vertraglichen  Anspruch, weiterhin als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten behandelt zu werden.

Der Anspruch auf Einreichung und nachträgliche Berichtigung einer unrichtigen Gesellschafterliste richtet sich gegen die GmbH.

 

b)

Der Verfügungsanspruch für die Anträge im einstweiligen Rechtsschutz gegen neue Gesellschafterlisten nach Zwangsausschluss des betroffenen Gesellschafters besteht dann, wenn eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Einziehung der Geschäftsanteile des antragstellenden Gesellschafters rechtswidrig ist und damit im Hauptsacheverfahren keinen Bestand haben wird.

(1)

Es ist mit Antragstellung glaubhaft zu machen, dass der Einziehungsbeschluss zumindest an einem zur Anfechtung berechtigenden Beschlussmangel leidet. Dies ist dann der Fall, wenn der Gesellschafter bspw. glaubhaft machen kann, dass ein wichtiger Grund für die Einziehung gemäß § 34 Abs. 1 und 2 GmbHG nicht vorliegt und die Einziehung daher unberechtigt ist.

Wichtige Gründe für den Zwangsausschluss sind am Maßstab der §§ 133, 140 HGB zu messen. Ein wichtiger Grund für die Einziehung ist zudem nur dann gegeben, wenn die Fortsetzung der Gesell-schaft mit dem Ausschließenden für die übrigen Gesellschafter unzumutbar ist. Eine Entscheidung hierüber erfordert eine umfassende Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer beiden Seiten gerecht werdenden Gesamtabwägung. Dabei sind vor allem Art und Schwere des Fehlverhaltens des Auszuschließenden sowie ein etwaiges Fehlverhalten des den Ausschluss betreibenden Gesellschafters zu berücksichtigen.

Für die 2-Personen Gesellschaft in der Konstellation 50:50 ist nach ständiger Rechtsprechung (BGH NZG 2003, 625, 627 - für GbR -; BGH GmbHR 1991, 362, 363 – für GmbH –; BGHZ 80, 346 = NJW 1981, 2302, 2303 - für oHG -; BGH NJW 1960, 866, 868 f. - für GmbH -) zusätzlich zu berücksichtigen, dass einer von zwei Gesellschaftern nicht wegen gesellschaftswidrigen Verhaltens aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn auch in der Person des die Ausschließung betreibenden Gesellschafters ein wichtiger Grund zur Ausschließung verwirklicht ist.

In der Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass es bei einer 2- Personen-Gesellschaft bereits  für die Einziehung an einem wichtigen Grund für die Einziehung fehlt, wenn in der Person des die Einziehung betreibenden Gesellschafters ebenfalls ein wichtiger Grund für einen Ausschluss gegeben ist, vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 13. Mai 2013, NZG 2013, 1146, OLG Thüringen, Urteil vom 5. Oktober 2005, NZG 2006, 36.

Diese Maßnahme des Zwangsausschlusses ist in einer 2- Personen-Gesellschaft somit selbst dann ausgeschlossen, wenn in der Person des Auszuschließenden eindeutig ein wichtiger Grund vorliegt und er durch das betreffende Fehlverhalten die Streitsituation zwischen den Gesellschaftern maßgeblich verschuldet hat, sofern der andere Mitgesellschafter aufgrund eigenen Fehlverhaltens für das Zerwürfnis mitverantwortlich ist. In solchen Fällen bleibt lediglich die Auflösung der Gesellschaft, die durch Auflösungsklage gemäß § 61 Abs. 1 GmbHG durchgesetzt werden kann, vgl. LG Frankfurt am Main, Urteil vom 13. November 2013, NZG 2013,1427.

Die Einziehung kommt auch nur als "ultima ratio" in Betracht, nämlich wenn die Unzumutbarkeit nicht durch mildere Mittel beseitigt werden kann (BGH, NZG 2002, 625; NJW 2011, 2578, 2580 Rdn. 30; NZG 2015, 429, 432 Rdn. 37).

Wenn nicht unerhebliche Zeit zwischen Anlass des Zwangsausschlusses und der Beschlussumsetzung liegt, verliert ein angeführter wichtiger Grund, selbst wenn er vorliegt, zudem an Gewicht (vgl. BGH, Urteil vom 20.02.1995 - II ZR 46/94, juris-Rn. 18).

 

(2)

Eine Einziehung eines Geschäftsanteils an einer GmbH nach § 34 GmbHG setzt zudem voraus, dass der Geschäftsanteil voll eingezahlt ist. Andernfalls ist ein Einziehungsbeschluss nicht nur anfechtbar, sondern von Anfang an nichtig. Der Verfügungsanspruch ließe sich in einem solchen Fall leicht für den Erlass einer einstweiligen Verfügung glaubhaft machen.

 

(3)

Am Maßstab der vorstehenden Grundsätze ist dann für den ausgeschlossenen darzulegen, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass kein wichtiger Grund für die Einziehung der Geschäftsanteile des Antragstellers gemäß § 34 Abs. 1 und 2 GmbHG vorlag und die Einziehung daher unberechtigt war.

Damit ist der Verfügungsanspruch dann glaubhaft gemacht (vgl. allgemein: Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 294 Rn. 10 mwN). Es kann nicht verlangt werden, dass die Rechtslage eindeutig und die Berechtigung des Anspruchs des Antragstellers mit Sicherheit feststehen muss ( vgl. OLG Jena, NJW-RR 2017, 233; OLG München, Beschluss vom 18.05.2021 - 7 W 718/21 "hohe Wahrscheinlichkeit"). Ein noch strengerer Maßstab würde einstweiligen Rechtsschutz nicht nur weitgehend leerlaufen lassen; er steht auch nicht im Einklang mit der zwischenzeitlich ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung: Wegen der positiven wie negativen Legitimationswirkung der Gesellschafterliste aus § 16 Abs. 1 GmbHG muss, wie der BGH in seinem Urteil vom 02.07.2019 - II ZR 406/17, juris-Rn. 39 ausführt, "dem von einer möglicherweise fehlerhaften Einziehung seines Geschäftsanteils be-troffenen Gesellschafter [...] daher ein effektives Mittel zur Verfügung gestellt werden, seine Ent-rechtung in der Gesellschaft während der Dauer des Rechtsstreits über die Einziehung zu verhindern bzw. seine streitige materiell-rechtliche Gesellschafterstellung bis zur Klärung der Wirksamkeit der Einziehung zu sichern. Begleitend zur Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen den Einziehungsbeschluss kann der Gesellschafter bei Vorliegen der Voraussetzungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die insoweit passivlegitimierte Gesellschaft das Verbot er-wirken, eine neue Gesellschafterliste, in der er nicht mehr aufgeführt ist, bei dem Registergericht einzureichen." Für korrespondierende Anträge im Falle einer bereits eingereichten geänderten Gesellschafterliste sowie Anträge auf einstweilige Behandlung wie ein Gesellschafter gilt kein anderer Maßstab.

 

  1. Verfügungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung

 

a)

Ein Verfügungsgrund für einen Anträge im einstweiligen Rechtsschutz ergibt sich bereits aus der Legitimationswirkung der Gesellschafterliste, woraus sich der vorläufige Ausschluss von der Teilnahme an den Gesellschafterrechten herleiten lässt (vgl. dazu allgemein BGH, Urteil vom 02.07.2019 - II ZR 406/17, juris-Rn. 39; Senat, Urteil vom 02.12.2020 - 7 U 4305, juris-Rn. 40; großzügig: Altmeppen in Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl., § 40 Rn. 30 f.).

 

b)

Auch das OLG München bejaht aktuell in mehreren Entscheidungen, zuletzt mit Beschluss vom 22.02.2022 - 7 W 186/22 in den Fällen, in denen die Satzung der Gesellschaft eine Einziehung von Geschäftsanteilen vorsieht (zur Ausschließung ohne Satzungsgrundlage vgl. Senat, Urteil vom 02.12.2020 - 7 U 4305/20) und die Gesellschafterversammlung einen solchen Beschluss fasst, grundsätzlich insoweit ein Verfügungsgrund, als der von der Einziehung betroffene Gesellschafter bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache seine Weiterbehandlung als Gesellschafter erreichen will (vgl. OLG München, Beschluss vom 18.05.2021 - 7 W 718/21, Rdnr. 56).

Das OLG München bejaht grundsätzlich auch einen Verfügungsgrund, insoweit als der von der Einziehung betroffenen Gesellschafter die Einreichung einer korrigierten, ihn wieder als Ge-sellschafter ausweisenden Gesellschafterliste verlangt. Denn anderenfalls wäre es von zeitlichen Zufälligkeiten abhängig, ob aufgrund eines in der Hauptsache umstrittenen Gesellschafterbe-schlusses eine diesem Beschluss folgende Gesellschafterliste im Handelsregister eingetragen wird oder in selbigem unkorrigiert verbleibt ( OLG München, Beschluss vom 18.05.2021 - 7 W 718/21, Rdnr. 59).

 

  1. Zusammenfassung

 

Um seine Rechtsposition vorläufig zu sichern, ist dem von einem Zwangsausschluss betroffenen Gesellschafter die Möglichkeit eröffnet, im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Einreichung einer neuen Gesellschafterliste vorzugehen. Sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Gesellschaft kann darauf gerichtet sein, dass gar nicht erst eine neue Gesellschafterliste eingereicht wird oder dass eine bereits eingereichte Gesellschafterliste korrigiert wird.

Zum Erlass einer einstweiligen Verfügung muss der Gesellschafter dem Gericht glaubhaft machen, dass der Einziehungs- bzw. Zwangsabtretungsbeschluss unwirksam ist (Verfügungsanspruch) und dass ein Verfügungsgrund – also eine besondere Eilbedürftigkeit – besteht. In einem Fall folgt diese Eilbedürftigkeit regelmäßig aus der Gefahr, durch die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste die Befugnis zur Ausübung von Gesellschafterrechten zu verlieren (hierzu auch OLG München, Beschluss vom 18.05.2021, Az. 7 W 718/21). Doch selbst wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, erlässt das Gericht nicht automatisch eine einstweilige Verfügung. Der Verfügungsgrund kann nämlich entfallen, wenn der Antragsteller die Dringlichkeit durch sein eigenes Verhalten widerlegt (z.B. indem er wie vorliegend mehrere Monate mit dem richtigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wartet).

Wer seine Rechtsposition sichern will, sollte Maßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz daher zeitnah nach dem Einziehungs- bzw. Zwangsabtretungsbeschluss ergreifen.

 

Ich helfe Ihnen gerne weiter.

 

Ihr

Bernd Gasteiger, LL.M.

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Verfasst am 06.05.2022, Bernd Gasteiger LL.M.

Anstellungsverhältnis von GmbH- Geschäftsführern- Was gilt nach Beendigung der Organstellung?

Organstellung und Anstellungsverhältnis sind zwei Rechtsverhältnisse, die ein unterschiedliches Schicksal haben können. Gleichwohl hat die Beendigung der Organstellung regelmäßig auch Auswirkungen auf Bestand, Status und den Inhalt des Anstellungsvertrags, die im Folgenden erläutert werden sollen.

 

  1. Fortbestand des Dienstvertrags

Das Amt des Geschäftsführers kann insbesondere durch Zeitablauf, Abberufung, Amtsniederlegung, Verlust der Bestellungsvoraussetzungen oder Vereinbarung enden. Über das weitere Schicksal des Anstellungsvertrags ist damit regelmäßig noch nichts gesagt.

 

  1. Kündigung des Dienstvertrags

In der GmbH führt die Beendigung der Organstellung nicht automatisch auch zur Beendigung des Anstellungsvertrags (Trennungsprinzip). Deutlich wird das an den Vorschriften über den Widerruf der Bestellung.

Der Geschäftsführer der GmbH kann gem. § 38 Abs. 1 GmbHG zwar grds. jederzeit abberufen werden, jedoch ausdrücklich nur unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen. Daraus folgt, dass sich das weitere Schicksal des Anstellungsvertrags ebenfalls nach den allgemeinen Vorschriften über Dienstverträge richtet. Auch hier muss der Anstellungsvertrag also ordentlich bzw. außerordentlich gekündigt werden.

 

  1. Koppelungsklauseln

Bei der GmbH sind in Anstellungsverträgen häufig Klauseln anzutreffen, die bei Beendigung der Organstellung auch die automatische Beendigung des Anstellungsvertrags vorsehen (sog. Koppelungsklauseln). Regelmäßig soll in diesen Fällen der Widerruf der Bestellung gleichzeitig auch als Kündigung des Anstellungsvertrags gelten.

Durch die – häufig unter erleichterten Voraussetzungen mögliche – Abberufung soll der durch eine Befristung bzw. die vertragliche oder gesetzliche Kündigungsfristenregelung vorgesehene Mindestschutz des Geschäftsleiters nicht umgangen werden können. Koppelungsklauseln bewirken deshalb in der Regel nur die Beendigung des Anstellungsvertrags zum nächstmöglichen Zeitpunkt, im Fall der Befristung also zum Ende des Befristungszeitraums, bei einem unbefristeten Vertrag zum Ablauf der vereinbarten oder der gesetzlichen Kündigungsfrist.

Etwas anderes gilt nur, wenn der Grund für die Abberufung aus dem Amt gleichzeitig auch einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses darstellt.

 

  1. Befristung

Wurde der Anstellungsvertrag befristet abgeschlossen, endet er ohne Kündigung mit Ablauf der Zeit, für die er eingegangen wurde, § 620 Abs. 1 BGB . Auch der befristete Anstellungsvertrag ist also grds. unabhängig vom Fortbestand des Amtes. Ordentlich kündbar ist er nur, wenn dies ausdrücklich vereinbart wird. Ansonsten ist lediglich eine außerordentliche Kündigung unter den Voraussetzungen des § 626 BGB möglich.

 

  1. Vertragsstatus

Der Anstellungsvertrag des Geschäftsleitungsorgans stellt in der Regel ein freies Dienstverhältnis dar. Bei Organmitgliedern juristischer Personen fehlt es in aller Regel an der ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden persönlichen Abhängigkeit. Deshalb sind Geschäftsführer regelmäßig nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft.

 

HINWEIS:

Denkbar ist dies in den Fällen, in denen ein Arbeitnehmer der Gesellschaft zum gesetzlichen Vertreter berufen wurde und anlässlich seiner Bestellung das bisherige Arbeitsverhältnis nicht aufgehoben, also kein neuer Dienstvertrag mit geänderten Vertragsbedingungen abgeschlossen wurde. Wird der ehemalige Geschäftsführer nach der Beendigung des Amtes auf der Basis des Arbeitsvertrags – bspw. in leitender Funktion – weiterbeschäftigt, lebt dieses Arbeitsverhältnis wieder auf.

Gelegentlich kommt es auch vor, dass das Organmitglied nach der Abberufung aus dem Amt auf der Basis seines Anstellungs- und nicht Arbeitsvertrags in leitender Funktion unterhalb der Geschäftsleitungsebene weiterbeschäftigt wird. Geschieht dies in der Weise, dass er dabei den Weisungen der Geschäftsführung unterliegt und wie ein Arbeitnehmer in die betriebliche Organisation eingeordnet ist, kann daraus konkludent die Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses abzuleiten sein.

 

III. Gremienzuständigkeit

Aus § 46 Nr. 5 GmbHG ergibt sich, dass die Gesellschafterversammlung in der GmbH für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer zuständig ist. Daraus wird allgemein auch eine Annexkompetenz für Abschluss, Beendigung und Änderung des Anstellungsvertrags gefolgert. Diese Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung bleibt auch nach Beendigung des Amtes bestehen. Wird der Geschäftsführer allerdings nach der Abberufung als Arbeitnehmer, also weisungsgebunden weiter beschäftigt, soll die Geschäftsführung zuständig sein.

 

  1. Auswirkungen der Beendigung des Amtes auf den Vertragsinhalt
  2. (Wieder-)Bestellungsanspruch?

Wurde die Bestellung widerrufen, so stellt sich die Frage, welche Rechte und Pflichten das abberufene Organmitglied im Hinblick auf seine Tätigkeit hat.

Überwiegend wird ein Wiederbestellungsanspruch für den Fremdgeschäftsführer verneint. Zumindest für die GmbH dürfte ein einklagbarer Anspruch ausgeschlossen sein, weil dieser im Widerspruch zu § 38 GmbHG stünde, wonach der Geschäftsführer jederzeit von den Gesellschaftern abberufen werden kann.

 

Eine Ausnahme kann nur in solchen Fällen gelten, in denen die Satzung und/oder der Anstellungsvertrag dem Geschäftsführer das Geschäftsführeramt als Sonderrecht einräumt, z.B. in der Weise, dass die Abberufung bei ihm nur aus wichtigem Grund zulässig sein soll. In diesem Fall besteht für den abberufenen Geschäftsführer die Möglichkeit, den Beschluss über seine Abberufung mit einer Feststellungs- und Anfechtungsklage anzugreifen.

 

  1. Schadensersatzpflicht der Gesellschaft?

Eine weitere Frage ist, ob sich die Gesellschaft bei fehlerhafter oder zu Unrecht erfolgter Abberufung schadensersatzpflichtig macht und/oder die Abberufung dem Geschäftsführer die Möglichkeit gibt, das Anstellungsverhältnis seinerseits aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen.

Im Normalfall ist die Abberufung kraft gesetzlicher Regelung jederzeit widerruflich und kann daher auch keine Schadensersatzansprüche des Geschäftsführers auslösen. Besteht hingegen ein Sonderrecht, ist die Abberufung nur aus wichtigem Grund zulässig. Liegt ein solcher nicht vor, verletzt die Gesellschaft die Pflichten aus der Satzung oder dem Anstellungsvertrag, was nach den allgemeinen Regelungen zu einer Schadensersatzpflicht führen und den Geschäftsführer auch zum Ausspruch einer Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen kann.

 

  1. Vergütung und Beschäftigung

Stellt der Abberufungsgrund nicht gleichzeitig einen wichtigen Grund zur außerordentlichen und fristlosen Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB dar, ist der Anstellungsvertrag bis zum vorgesehenen Vertragsende oder bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen unter Fortzahlung der Vergütung und Weitergewährung aller sonstigen vertraglichen Leistungen. Deshalb stellt sich die Frage, ob das ehemalige Organmitglied auch berechtigt oder gar verpflichtet ist, eine andere als die Organtätigkeit bis zum Vertragsende auszuüben, z.B. in der Funktion eines leitenden Angestellten.

 

  1. a) Beschäftigungspflicht

Nach dem Anstellungsvertrag muss der Geschäftsführer regelmäßig nur die im Anstellungsvertrag vorgesehene Funktion übernehmen. Eine andere Tätigkeit schuldet er nicht. Seine Weigerung, eine solche Tätigkeit zu übernehmen, stellt deshalb keine Pflichtverletzung dar.

Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn der Anstellungsvertrag ausdrücklich die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung vorsieht. Dann ist der Geschäftsführer verpflichtet, für die Restlaufzeit des Vertrags eine solche Beschäftigung auszuüben und verletzt im Weigerungsfall seine vertraglichen Pflichten, was auch zur Kündigung aus wichtigem Grund führen kann.

 

HINWEIS:

Selbst wenn eine Beschäftigungspflicht besteht, muss damit seitens der Gesellschaft zurückhaltend umgegangen werden, weil aus der längeren Weiterbeschäftigung auf einer Arbeitnehmerfunktion ein Arbeitsverhältnis werden könnte.

 

  1. b) Beschäftigungsanspruch

Grundsätzlich wird ein Beschäftigungsanspruch des abberufenen Organmitglieds nicht bestehen, wie sich aus den gesetzlichen Wertungen der § 38 GmbHG und § 84 AktG ergibt. Sieht allerdings der Anstellungsvertrag ausdrücklich die Möglichkeit einer anderweitigen angemessenen Beschäftigung vor, kann daraus auch ein Beschäftigungsanspruch hergeleitet werden.

 

  1. c) Annahmeverzug

Auch wenn für das ehemalige Organmitglied nach der Abberufung regelmäßig keine Pflicht zum Tätigwerden besteht, ist fraglich, ob ihm nicht im Rahmen des § 615 Satz 3 BGB entgegengehalten werden kann, er habe eine von der Gesellschaft angebotene, zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit ausgeschlagen, so dass seiner Vergütungsforderung ein unterlassener (fiktiver) Zwischenverdienst entgegengehalten werden kann. Das wird einerseits davon abhängen, ob ihm die angebotene Tätigkeit im Hinblick auf seine Aus- und Vorbildung zuzumuten ist. Dies wird regelmäßig wohl nur dann zu bejahen sein, wenn ihm eine Leitungsfunktion direkt unterhalb der Geschäftsführungsebene angeboten wird. Im Rahmen der Zumutbarkeit einer solchen Tätigkeit wird aber andererseits auch zu berücksichtigen sein, aus welchen Gründen die Abberufung erklärt wurde. Unzumutbar dürfte eine Weiterbeschäftigung bei der Gesellschaft auch in leitender Stellung dann sein, wenn die Abberufung mit Pflichtverletzungen oder ähnlichen Vorwürfen begründet wird.

 

Zusammenfassung:

Organstellung und Anstellungsvertrag können, müssen aber nicht dasselbe Schicksal haben. Neben der Beendigung der Organstellung muss auch der Anstellungsvertrag wirksam beendet werden. Wird der Anstellungsvertrag nach Abberufung fortgesetzt, ist der abberufene Geschäftsführer regelmäßig nur bei ausdrücklicher Vereinbarung verpflichtet, andere Tätigkeiten bei der Gesellschaft auszuüben. Nur in seltenen Fällen kann ihm die Weigerung der Übernahme einer solchen Tätigkeit aber als fiktiver Zwischenverdienst entgegengehalten werden.

 

Ich helfe Ihnen bei Fragen zu diesem Thema sehr gerne weiter.

 

Bernd Gasteiger LL.M.

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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Verfasst am 10.01.2022, Bernd Gasteiger

GmbH-Geschäftsführer nach Abberufung: Vergütung ohne Arbeit?

GmbH-Geschäftsführer nach Abberufung: Vergütung ohne Arbeit?

I. Problemstellung

In der Praxis geht es häufig weniger um die Frage, ob ein Geschäftsführer als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist, sondern um das in § 38 Abs. 1 GmbHG verankerte Trennungsprinzip.

Danach sind An- und Organstellung „getrennt“ zu sehen – werden GmbH-Geschäftsführer abberufen und damit ihre Organstellung beendet, hat das eben keine Auswirkungen auf ihr Anstellungsverhältnis. Vielmehr besteht der zugrundeliegende Dienstvertrag fort, ohne dass die vielfach ausdrücklich vorgesehene Geschäftsführerstellung noch Bestand hätte.

Die Ausgestaltung des dienstvertraglichen Verhältnisses des abberufenen Geschäftsführers und der Gesellschaft führt nicht selten zu Schwierigkeiten beim weiteren Vollzug des Dienstvertrags und der Frage, welche synallagmatischen Pflichten die Parteien gegenseitig noch erfüllen müssen.

Grundsätzlich besteht zwar die Möglichkeit den Bestand des Dienstverhältnisses durch die Aufnahme einer so genannten Koppelungsklausel in den Geschäftsführerdienstvertrag an den Bestand des Organverhältnisses zu binden. Allerdings wendet die Rechtsprechung für den Beendigungszeitpunkt § 626 BGB entsprechend an und lässt eine Lösung vom Dienstverhältnis nur unter Einhaltung der dort geregelten Fristen zu. Bei sofortiger Beendigung würde ansonsten § 626 BGB umgangen, wonach das Dienstverhältnis nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes fristlos gekündigt werden kann. Eine vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses ist also auch im Fall der Aufnahme einer Koppelungsklausel in den Dienstvertrag nur unter dieser Voraussetzung möglich. Die Koppelungsklausel eröffnet demnach im Fall der Abberufung des Geschäftsführers aus dem Organverhältnis nur die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung des Dienstverhältnisses.

Der Dienstvertrag wirkt somit in vielen Fällen über das Ende der Organstellung hinaus. Weiterhin stellt sich die Frage, ob in einem derartigen Fall eine Anpassung des Geschäftsführerdienstvertrags in Betracht kommt.

Der Geschäftsführer muss auch nach seiner Abberufung keine Leistungen erbringen, die sein Dienstvertrag nicht umfasst. Die Gesellschaft verfügt über kein entsprechendes Direktionsrecht. Daher ist von dem abberufenen Geschäftsführer in den meisten Fällen auch kein Tätigwerden unterhalb der Organebene geschuldet.

Gleichzeitig ist die Gesellschaft im Grundsatz weiter zur Zahlung der Vergütung verpflichtet. Der darauf gerichtete Anspruch des Geschäftsführers wird nicht nach § 275 I BGB unmöglich. Stattdessen kommt die Gesellschaft nach § 615 S. 1 BGB mit der Annahme der Dienste in Verzug, wenn der abberufene Geschäftsführer seine Organtätigkeit in entsprechender Weise weiter anbietet. Die Verpflichtung zur Fortzahlung der Bezüge bleibt daher aufrechterhalten, obwohl der Geschäftsführer gar keine Leistung erbringt bzw. erbringen muss. Die harte Realität in der Praxis könnte aber ggfs. die Anrechnung nach § 615 S. 2 BGB ( Böswilliges Unterlassen von Verdienst bei der Gesellschaft) sein.

Diese Fragen werden nachstehend beleuchtet:

II. Der Anspruch des Geschäftsführers auf Fortzahlung seines Festgehalts nach der Abberufung

Wann liegt Annahmeverzug auf Seiten der Gesellschaft vor?

Ob der Geschäftsführer einen Anspruch auf Fortzahlung seines Entgelts hat hängt davon ab, ob sich die Gesellschaft nach § 615 S. 1 BGB iVm § 293 ff. BGB im Annahmeverzug befindet. Nach § 293 BGB kommt der Gläubiger in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Die Leistung muss nach § 294 BGB tatsächlich oder nach § 295 BGB wörtlich angeboten werden. Auch bei unrechtmäßiger Kündigung eines Dienstverhältnisses bedarf es nach § 295 S. 1 BGB grundsätzlich mindestens des wörtlichen Angebots weiterer Dienstleistungen. Der Dienstverpflichtete muss der Kündigung demnach zumindest eindeutig widersprechen. 

Praxistipp:

Um die Gesellschaft in Annahmeverzug zu setzen, muss der Geschäftsführer seine Arbeitskraft daher grundsätzlich und vorsorglich nochmals anbieten. Bei einer mit der Abberufung verbundenen unwiderruflichen Freistellung wird ein nochmaliges Angebot jedoch nicht mehr notwendig.

Die Notwendigkeit eines wörtlichen Angebots der Leistung entfällt aber auch dann, wenn die Gesellschaft signalisiert, dass sie unter keinen Umständen zur Weiterbeschäftigung des Geschäftsführers bereit ist. Hiervon kann etwa ausgegangen werden, wenn die Gesellschaft anstelle des Abberufenen einen neuen Geschäftsführer bestellt. Gleiches gilt, wenn in Zusammenhang mit der Abberufung eine fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses durch die Gesellschaft ausgesprochen wurde, deren Unwirksamkeit im Rahmen eines hierüber geführten Kündigungsrechtsstreits festgestellt wird.

Der Geschäftsführer kann seinen Vergütungsanspruch allerdings nach § 242 BGB durch Verwirkung verlieren. Eine Verwirkung kommt in Betracht, wenn sich der Dienstverpflichtet gegenüber dem anderen Teil grob unanständig verhalten hat, so dass dem Vergütungsanspruch der Arglisteinwand entgegengehalten werden kann. Ein solcher Fall kann etwa vorliegen, wenn der Geschäftsführer ruinösen Wettbewerb betrieben hat oder auf andere Weise das Unternehmen, das mit seinen Erträgen die von ihm eingeforderten Bezüge erwirtschaften soll, in seiner wirtschaftlichen Grundlage gefährdete. Allein der Aufbau eines Konkurrenzunternehmens reicht nicht aus.

III. Anspruch auf variable Vergütungsbestandteile?

Fraglich ist, was für variable Vergütungsbestandteile zu gelten hat. Insoweit wird in der Praxis danach unterschieden, ob der Anspruch auf die Vergütung erfolgs- oder leistungsbezogen ausgestaltet ist. Bei erfolgsbezogener Ausgestaltung ist ein Beitrag des Geschäftsführers regelmäßig nicht erforderlich, so dass bei Erreichung der festgelegten Größen ein Anspruch besteht. 

Bei leistungsbezogener Ausgestaltung ist die Erreichung des Ziels durch die Leistungen des Geschäftsführers dagegen aufschiebend bedingt, so dass bei vorzeitiger Abberufung kein Anspruch besteht. Da dem Geschäftsführer im Fall seiner Abberufung durch die Gesellschaft die Möglichkeit der Zielerreichung genommen wurde, kann sich der daraus resultierende Verlust des Anspruchs auf die variablen Vergütungsbestandteile im Einzelfall als unangemessen darstellen. Unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nach § 157 BGB kann daher im Einzelfall gleichwohl ein Anspruch auf die Auszahlung der variablen Vergütung bestehen. Die Höhe des Anspruchs soll in einem solchen Fall von einer Einschätzung der zukünftigen Leistung des Organmitglieds abhängen, die dieses erbracht hätte, wenn es nicht abberufen worden wäre. Gemäß § 315I BGB hat die Gesellschaft dieses Ergebnis unter Berücksichtigung von billigem Ermessen zu treffen.

IV. Anrechnung anderweitigen Verdienstes

Der abberufene aber nicht gekündigte Geschäftsführer muss sich weiterhin auf seinen Vergütungsanspruch nach § 615 S. 2 BGB dasjenige anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Dienstberechtigte durch sein gesamtes Verhalten zu erkennen gibt, dass ihn das Verhalten des Dienstverpflichteten bis zum Ablauf des Vertrags in keiner Weise mehr interessiert. Davon kann aber nur ausgegangen werden, wenn die Parteien über Zeitpunkt und Anlass der Vertragsbeendigung im Einvernehmen auseinandergehen. Wenn die GmbH eine weitere Tätigkeit nicht mehr wünscht, kann hieraus jedoch nicht der Schluss gezogen werden, die Frage einer weiteren Entgeltzahlung sei für sie ohne Bedeutung gewesen. Die Anrechnung erfolgt automatisch kraft Gesetzes. Sie erfordert keine besondere Erklärung und ist keine Aufrechnung.

Überwiegend wird angenommen, dass der abberufene aber nicht gekündigte Geschäftsführer sich auf eine eventuell im Unternehmen mögliche Weiterbeschäftigung einlassen kann, wenn diese ihm ihrer Art nach zumutbar ist. Die Frage der Zumutbarkeit ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl aus Art. 12I GG zu beurteilen. Nach neuer Rechtsprechung des BAG kann auch ein Angebot, welches nicht mit dem Direktionsrecht korrespondiert, zumutbar iSd § 615 S. 2 BGB sein. Zumutbar dürfte daher auch eine Tätigkeit sein, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten angemessen ist und ähnliche Bestimmungs- und Einflussmöglichkeiten sowie Vorgesetztenfunktionen umfasst, wie die Tätigkeit eines GmbH-Geschäftsführers.

Allerdings wird eine solche Verpflichtung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Dies soll etwa der Fall sein, wenn der Geschäftsführer die Abberufung selbst verschuldet hat oder die Beschäftigung aus anderen Gründen unzumutbar ist. Tatsächlich erfolgt eine Abberufung grundsätzlich durch die Gesellschaft. Ob eine Abberufung dann vom Geschäftsführer verschuldet ist, mag eine Frage der Motivlage bei den Gesellschaftern sein, sie wird sich aber in Ermangelung eines objektiven Maßstabs – von Ausnahmefällen abgesehen – kaum je klären lassen. Generell wird die Gesellschaft in den Fällen, in denen der Geschäftsführer seine Abberufung aus ihrer Perspektive selbst verschuldet hat, im Zweifel eher weniger daran interessiert sein, dass der abberufene Geschäftsführer weiterhin in ihren Diensten tätig ist.

Hinter dem Angebot einer Alternativtätigkeit kann primär der Wunsch stehen, den fortbestehenden Vergütungsanspruch des abberufenen Geschäftsführers zu reduzieren. Aufseiten der Gesellschaft mag dann ein Interesse daran bestehen, dass der abberufene Geschäftsführer die angebotene Tätigkeit ablehnt und damit eine Anrechnung iSd § 615 S. 2 BGB auslöst. In derartigen Fällen kann ein tatsächliches oder auch nur behauptetes Selbstverschulden der Abberufung durch den Geschäftsführer die Annahme einer Alternativtätigkeit nicht zumutbar machen.

Dem Geschäftsführer wird das Angebot einer alternativen Tätigkeit im Unternehmen unterbreitet, um den fortzuzahlenden Lohn zu schmälern. Die Gesellschaft hat möglicherweise dann sogar ein Interesse daran, dass der abberufene Geschäftsführer die angebotene Tätigkeit ablehnt und damit die Anrechnung nach § 615 S. 2 BGB auslöst. Dass diese Absichten zugrunde liegen kann sich zB. durch den Anlass und die Umstände der Abberufung, ihre Begründung, dem Verhalten der Gesellschafter im Nachgang und der Art der Kündigung zeigen (OLG Frankfurt v. 27.3.2018 – 14 U 12/17; vgl. BAG v. 14.11.1985 – 2 AZR 98/84). Eine Unzumutbarkeit läge dann zumindest nahe. Sie ist dagegen vollkommen unstrittig, wenn bei Angebot und Durchführung der Alternativtätigkeit schikanöse Züge oder Absichten erkennbar sind. Diese können sich beispielsweise in einer ständigen Auferlegung von „Tätigkeitsberichten“ und vergleichbaren Maßnahmen widerspiegeln, die eine ordnungsgemäße Durchführung der Alternativtätigkeit erheblich erschweren (OLG Frankfurt v. 27.3.2018 – 14 U 12/17). Eine Unzumutbarkeit der Tätigkeit liegt außerdem nahe, wenn sie Aufgaben umfassen soll, die bei der Abberufung eine Rolle gespielt haben, etwa weil die Gesellschaft diese auf dortige Schlecht- oder Minderleistungen bzw. ein Fehlverhalten gestützt hat. Zuletzt muss eine Alternativtätigkeit zumindest auch ähnliche Entscheidungs- und Interessenwahrnehmungskompetenzen und vergleichbare Einflussmöglichkeiten und Unabhängigkeitsmerkmale umfassen (OLG Frankfurt v. 27.3.2018 – 14 U 12/17; OLG Karlsruhe v. 15.8.1995; BGH v. 14.7.1966 – II ZR 212/64).

V. Fazit

Der abberufene aber nicht gekündigte Geschäftsführer behält grundsätzlich seinen Vergütungsanspruch. Bietet der Geschäftsführer seine Leistung in entsprechender Weise an, dann kommt die Gesellschaft in Annahmeverzug und ist zur Fortzahlung der Bezüge verpflichtet. Ob ein Anspruch auf die Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile besteht, hängt davon ab, ob diese erfolgs- oder leistungsbezogen ausgestaltet ist. Im ersteren Fall besteht bei Zielerreichung ein Vergütungsanspruch. Im zweiten Fall nicht. Unter Umständen kommt unter Berücksichtigung des § 242 BGB ein Ausgleichsanspruch in Betracht. Wurden entsprechende Ziele nicht festgelegt, dann steht dem Geschäftsführer nach Ablauf des Bezugszeitraums ein Schadensersatzanspruch nach § 20 I und III iVm § 283 S. 1 BGB zu, wobei der höchstmögliche Bonus als Schaden zugrunde zu legen ist. Der Geschäftsführer muss sich jedoch nach § 615 S. 2 BGB anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

Ich helfe Ihnen sehr gerne weiter!

Ihr Rechtsanwalt Bernd Gasteiger LL.M.

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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Verfasst am 09.11.2021, Bernd Gasteiger

Die Bedeutung des Buchauszugs gem. § 87 c Abs. 2 HGB für den Handelsvertreter und angestellten Außendienstmitarbeiter - typische Einwendungen des Unternehmers

Von der Gesetzeslage her, ist der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs an keine weiteren Voraussetzungen gebunden, sondern knüpft an die Tätigkeit des Handelsvertreters und an die erfolgte Abrechnung eines bestimmten Zeitraumes durch den Unternehmer an.

 

In der prozessualen Praxis werden durch den Unternehmer trotzdem – mit mal mehr, mal weniger großen Erfolgsaussichten – Einwendungen gegen den für den Unternehmer oftmals lästigen Anspruch auf Buchauszug geltend gemacht.

 

Diese Einwendungen werden nachfolgend beleuchtet:

 

PROVISIONSANSPRÜCHE STEHEN NICHT ZWEIFELSFREI FEST  - DAHER KEIN ANSPRUCH AUF BUCHAUSZUG

 

Gemäß § 87c Abs. 2 HGB kann der Handelsvertreter „einen Buchauszug über alle Geschäfte verlangen, für die ihm nach § 87 Provision gebührt“. Das OLG München hat mit Endurteil v. 17.04.2019 – 7 U 2711/18 klargestellt, dass die Erteilung des Buchauszugs „keine Vorwegnahme der Entscheidung darüber enthalten darf, ob das in ihm aufgenommene Geschäft auch provisionspflichtig ist oder nicht (…). Nur die zweifelsfrei nicht provisionspflichtigen Geschäfte können daher bei der Erteilung des Buchauszugs unberücksichtigt bleiben, so vgl. BGH, Urteil vom 23.02.1989, Az. I ZR 203/87, Rdnr. 14, OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.01.2011, Az. 12 U 744/10, Rdnr. 28, Senatsurteil vom 11.04.2018, Az. 7 U 1972/17, Rdnr. 37, vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 17.12.2009, Az. 18 U 126/07, Rdnr. 116 aE).

 

TREUWIDRIGES VERHALTEN DES HANDELSVERTRETERS

 

Wenig erfolgsversprechend ist auch der Einwand des Unternehmers, der Handelsvertreter handele treuwidrig oder rechtsmissbräuchlich, wenn er von seinem gesetzlichen Anspruch auf Buchauszug Gebrauch macht. Wie das OLG München entschieden hat (Urteil vom 01. März 2017, Az. 7 U 3437/16) handelt der Handelsvertreter selbst dann nicht treuwidrig oder rechtsmissbräuchlich, wenn er die Provisionsabrechnungen des Unternehmers ggf. über Jahre hinweg nie beanstandet hat. Allein in dem Umstand, dass der Handelsvertreter über mehrere Jahre hinweg die Abrechnungen des Unternehmers widerspruchslos hingenommen hat, ist weder ein stillschweigend erklärtes Einverständnis mit den Abrechnungen noch ein Verzicht auf weitere Provisionen zu erblicken. Auch der Umstand, dass die Erteilung eines Buchauszugs – ggf. Jahre später – möglicherweise mit einem erheblichen Aufwand für den Unternehmer verbunden ist, führt nicht zu seiner Unzumutbarkeit. Die Gerichte sehen es vielmehr als Sache des Unternehmers an, sich von vornherein und damit rechtzeitig auf ein Buchauszugsverlangen einzustellen.

 

ÜBERMITTLUNG DES BUCHAUSZUGS UND DATENSCHUTZGRUNDVERORDNUNG

 

Das OLG München ( Urteil vom 31.07.2019 – 7 U 4012/17) hatte sich mit der Frage der Übermittlung des Buchauszugs und der Datenschutz-Grundverordung zu beschäftigen: Hiernach ist die Übermittlung eines Buchauszugs im Sinne des § 87c Abs. 2 HGB durch den Haupthandelsvertreter an einen Unterhandelsvertreter eine Verarbeitung im Sinne des Art. 4 Nr.2 DSGVO und muss deshalb die Voraussetzungen eines der Erlaubnistatbestände des Art.6 DSGVO erfüllen .

 

Die Parteien stritten über die Erteilung eines Buchauszugs. Die Beklagte hielt dem Buchauszugsanspruch des Klägers entgegen, die DSGVO verbiete eine Buchauszugserteilung ohne die Darlegung der Erforderlichkeit der Mitteilung jedes einzelnen Datums durch den Kläger.

 

Das Oberlandesgericht München kommt in seinem Urteil vom 30.07.2019 im Ergebnis dazu, dass die Erteilung des Buchauszugs durch den Erlaubnistatbestand des Art. 6 Absatz 1 Satz 1 lit. f DSGVO gedeckt ist, der die Übermittlung unter anderem dann gestattet, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht dagegen stehenden Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person überwiegen. Bei der Buchauszugerteilung steht ausschließlich das Vergütungsinteresse des Versicherungsvertreters inmitten. Dabei handelt es sich – so das OLG München – um ein berechtigtes Interesse eines Dritten im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO, da es aus einer von der Rechtsordnung erlaubten unternehmerischen Tätigkeit des Vertreters folgt und die unternehmerische Freiheit, die notwendigerweise das Recht zur Gewinnerzielung umfasst, ausdrücklich durch Art. 16 EUGRCh anerkannt und geschützt ist. Die Erteilung des Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB ist zur Verwirklichung des Provisionsanspruchs des Handelsvertreters und damit zur Realisierung dessen Vergütungsanspruches auch erforderlich, da erst durch die Erteilung des Buchauszugs der Vertreter in die Lage versetzt wird zu überprüfen, ob die vom Prinzipal erteilten Abrechnungen richtig und vollständig sind oder ihm noch ein darüber hinaus gehender Provisionsanspruch nach § 87a HGB zusteht.

 

Das OLG München geht weiter davon aus, dass bei der Ermittlung eines Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB das Vergütungsinteresse des Vertreters ein gegenläufiges Interesse des Kunden des Prinzipals im Rahmen der Interessenabwägung überwiegt, auch wenn die mit dem Buchauszug dem Vertreter vom Prinzipal übermittelten Daten der betroffenen Personen höchst sensibel sein können. Jedoch dient der Buchauszug der Verfolgung des Provisionsanspruchs des Vertreters aus § 87a Abs. 1 HGB, dessen Realisierung ohne Buchauszug zumindest erheblich erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht würde, sodass der Vertreter als Dritter ein sehr hohes, wenn nicht sogar wirtschaftlich existenzielles Interesse an der Datenübermittlung hat.

 

Fazit: Der Erteilung des Buchauszugs kann damit nicht mit Erfolg der Datenschutz gemäß der DSGVO entgegengehalten werden.

 

VERJÄHRUNG DES ANSPRUCHS AUF BUCHAUSZUG

 

In einem aufsehenerregenden Urteil hat der BGH nunmehr allerdings dem Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs in zeitlicher Hinsicht einen engen Rahmen gesetzt (BGH, Urteil vom 03. August 2017, Az. XII ZR 32/17). Nachdem gerade die erstinstanzlichen Gerichte in der Praxis zuvor mehrheitlich davon ausgegangen sind, dass der Anspruch auf Buchauszug als unselbstständiger Neben- bzw. Hilfsanspruch zum Provisionsanspruch nicht unabhängig von dem verjährt, hat der BGH nunmehr klargestellt, dass der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs selbstständig verjährt und der regelmäßigen Verjährungsfrist des §§ 195, 199 BGB unterliegt.

 

Damit beginnt die 3-jährige Verjährungsfrist für den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs – anders als bisher mehrheitlich angenommen – mit dem Schluss des Jahres, in dem der Unternehmer dem Handelsvertreter für das betreffende Jahr eine abschließende Abrechnung über die ihm zustehenden Provisionen erteilt hat. Denn mit ihr entsteht, so der BGH, der Anspruch auf Buchauszugserteilung.

 

Die besondere Konsequenz der Entscheidung ist die, dass die Verjährung des Anspruchs auf Buchauszug auch die Provisionsansprüche umfasst, die in den Abrechnungen des Unternehmers überhaupt nicht enthalten waren. Auch für sie kann also kein Buchauszug mehr verlangt werden.

 

In der Konsequenz bedeutet das folgendes:

 

Der Handelsvertreter hat einen eigentlich unverjährten Provisionsanspruch gegen den Unternehmer von dem er lange Zeit keine Kenntnis hat oder von dem er noch gar nichts weiß, weil der Unternehmer den Anspruch in seinen bisherigen Abrechnungen übergangen hat. Gerade die Unkenntnis über das Bestehen des Anspruches führt zu der langen (Maximal)-Verjährungsfrist des Provisionsanspruchs von 10 Jahren.

 

Um den nicht verjährten Provisionsanspruch geltend zu machen bzw. überhaupt erst von dessen Bestehen zu erfahren, ist der Handelsvertreter i.d.R. auf einen entsprechenden – ggf. eidesstattlich unterlegten – Buchauszug des Unternehmers angewiesen. Der Anspruch kann in vielen Fällen allerdings bereits verjährt sein, da nach der aktuellen BGH Entscheidung die Verjährung des Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszugs bereits mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem die Abrechnung des konkreten Zeitraumes – wenn auch unzutreffend – erfolgt ist. Der Handelsvertreter kann damit im Regelfall die notwendigen Informationen nicht mehr zusammentragen, um den eigentlich bestehenden Provisionsanspruch noch mit Erfolgsaussicht durchsetzen zu können. 

 

In der prozessualen Praxis wird das Urteil daher zu einer verstärkten und frühzeitigeren Geltendmachung des Anspruchs auf Buchauszug führen müssen.

 

Fazit

 

Der Buchauszug ist ein wichtiges Instrument des Handelsvertreters. Die jüngsten Gerichtsentscheidungen zwingen den Handelsvertreter dazu, sich frühzeitiger – also nicht nur im Streitfall – und sorgfältiger mit dem Rechtsinstitut zu beschäftigen.

 

Bei der Durchsetzung Ihrer Rechte helfen wir Ihnen gerne weiter!

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Verfasst am 09.11.2021, Bernd Gasteiger

Gesellschafterstreit: Zur Verjährung des Abfindungsanspruchs bei Unklarheit über die Wirksamkeit des Gesellschafterausschlusses

BGH, Urteil vom 18.05.2021 (II ZR 41/20)

 

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

 

Der BGH hat zunächst die Grundzüge der Verjährung eines Abfindungsanspruches eines Gesellschafters festgezurrt. Verjährungsbeginn ist gemäß § 199 Abs. 1 BGB das Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden und der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründeten Umständen sowie der Person des Schuldners hatte.

 

Der Abfindungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters entsteht mit dem Ausscheiden des Gesellschafters und kann nach seiner Fälligkeit geltend gemacht werden. Fällig ist der Abfindungsanspruch zum Zeitpunkt des Ausscheidens, es sei denn der Gesellschaftsvertrag enthält eine abweichende Regelung. In dem Gesellschaftsvertrag der GbR bestand eine (übliche) Ratenzahlungsvereinbarung, aufgrund dessen der Abfindungsanspruch in vier Jahresraten auszuzahlen sei, wobei die erste Rate sechs Monate nach dem Ausscheiden fällig werde. Der BGH stellte hierzu fest, dass bei ratierlicher Auszahlung des Abfindungsanspruches der Abfindungsanspruch insgesamt mit Fälligkeit der ersten Rate geltend gemacht werden könne. Diese Feststellungen sind noch unproblematisch.

 

Der Gläubiger (Gesellschafter) müsse aber auch Kenntnis von den „den Anspruch begründeten Umstände“ haben. Diese Kenntnis liege vor, wenn dem Gläubiger alle Tatsachen bekannt seien, die für die Entstehung des Anspruches erheblich seien. Ob der Gläubiger die zutreffenden rechtlichen Schlussfolgerungen gezogen habe, sei grundsätzlich irrelevant. Von diesem Grundsatz sei allerdings dann eine Ausnahme zu machen, wenn dem Gläubiger eine verjährungshemmende Klage nicht zuzumuten sei. Nicht zuzumuten sei eine Klage nach Auffassung des BGH, wenn der Kläger sich dadurch im Widerspruch zu einem anderen Verfahren setze. Ein solcher Fall lag nach Auffassung des BGH vor.

 

Der Abfindungsanspruch des Klägers war mit dem Ausschluss aus der Gesellschaft in 2009 entstanden. Mit Fälligkeit der ersten Rate sechs Monate nach dem Ausschluss war der Abfindungsanspruch noch in 2009 insgesamt fällig geworden. Verjährungsbeginn war daher der 31. Dezember 2009. Die Verjährung wäre nach Ablauf des 31. Dezember 2012 eingetreten. Bis zum 31. Dezember 2012 hat der Kläger keine verjährungshemmenden Maßnahmen (beispielsweise Klage oder Mahnbescheid) gegenüber der GbR ergriffen. Der Kläger hat vielmehr im Zeitraum von 2009 bis 2015 seinen Ausschluss aus der GbR bekämpft. In diesem Zeitraum sei es dem Kläger nicht zuzumuten gewesen, trotz seiner Klage gegen den Ausschuss zugleich eine Klage wegen der Höhe des Abfindungsanspruches zu erheben. In der Klage über die Höhe des Abfindungsanspruches hätte er sein Ausscheiden aus der GbR zugestehen müssen. Dies sei im Hinblick auf das vorherige Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses unbillig.

 

Der Kläger konnte daher frühestens nach dem Nichtzulassungsbeschluss des BGH in 2015 Klage wegen des Abfindungsanspruches erheben. Bis dahin „durfte“ der Kläger darauf vertrauen, dass sein Ausschluss rechtswidrig war.

 

Stellungnahme und Praxishinweise:

 

Die vorliegende Entscheidung bringt für die Praxis etwas mehr Sicherheit für die Frage, ob der Abfindungsanspruch bereits innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist trotz laufenden gerichtlichen Verfahrens über die Wirksamkeit der Einziehung geltend gemacht werden muss oder ob der ausgeschlossene Gesellschafter den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über die Wirksamkeit der Einziehung abwarten darf.

 

Es liegt auf der Hand, dass ein ausgeschlossener Gesellschafter zunächst gegen die Ausschließung ankämpft und erst, wenn dies nicht hilft, um die Abfindung prozessiert. Solange er noch gegen die Ausschließung ankämpft, würde er sich mit einer Abfindungsklage in Widerspruch zu diesem Hauptanliegen setzen.

 

Der BGH hat hier somit die einzig richtige und angemessene Entscheidung getroffen:

 

Die Verjährung kann nicht beginnen, bevor die Rechtslage um den Anspruch herum nicht klar ist. Und diese war im vorliegenden Fall offensichtlich nicht eindeutig. Spätestens nach den im Ergebnis divergierenden Instanz-Entscheidungen von Ausgangsgericht und Berufungsgericht war absehbar, dass es sich nicht um einen rechtlich offensichtlichen Fall handelt. Es wäre an dieser Stelle prozessökonomisch unsinnig gewesen, einen aufwendigen Streit über einen Abfindungsanspruch inzident im Verfahren über den Ausschluss des Gesellschafters zu führen. Falls sich letztlich nämlich herausgestellt hätte, dass der Ausschluss des Gesellschafters aus nicht auf den ersten Blick erkennbaren Gründen nicht wirksam gewesen wäre, hätte sich das etwaige Verfahren unnötig und wenig prozessökonomisch in die Länge gezogen, ohne dass es schlussendlich auf den Abfindungsanspruch angekommen wäre. Zudem steht eine solche rechtliche Behandlung auch im Widerspruch zu dem eigentlich verfolgten Ziel des Klägers, nämlich dem Bestehen seiner Stellung als Gesellschafter der GbR. Es wäre absurd gewesen, hätte der Kläger nur aufgrund von Verjährungsvorschriften auf der einen Seite sein Bestehen in der Gesellschaft einklagen müssen und damit genau das Gegenteil eines den Ausschluss betreffenden Abfindungsanspruch begehrt und auf der anderen Seite gleichzeitig den Abfindungsanspruch gefordert, der nur aufgrund eines vom Kläger nicht gewollten Ausschlusses fällig geworden wäre.

 

Bei Gesellschafterstreitigkeiten helfe ich Ihnen gerne weiter.

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Verfasst am 09.11.2021, Bernd Gasteiger

Betriebsbedingte Kündigung und Kurzarbeit- Ein Widerspruch – geht das überhaupt?

Hintergrund:

Wird durch den Arbeitgeber in einer Betriebsabteilung gleichzeitig Kurzarbeit eingeführt und betriebsbedingt gekündigt, so ist die Kündigung regelmäßig unwirksam. Die Anordnung von Kurzarbeit schließt es aus, dass betriebsbedingte Kündigungsgründe für die Beendigungskündigung vorliegen.

Im Zuge der Corona-Pandemie ist es vielfach zu Kündigungen von Arbeitsverhältnissen gekommen, die der Arbeitgeber darauf gestützt hat, dass es im Zuge der Pandemie und der sich hieraus ergebenden Einschränkungen, zu einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs gekommen ist.

Eine betriebsbedingte Kündigung ist aber gem. § 1 Abs. 2 und 3 KSchG nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie auf dringenden betrieblichen Erfordernissen beruht, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen und die Sozialauswahl richtig durchgeführt worden ist. Betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich dabei aus innerbetrieblichen Umständen und/oder durch außerbetriebliche Gründe ergeben.

Daran fehlt es, wenn außer- oder innerbetriebliche Umstände nicht zu einer dauerhaften Reduzierung des betrieblichen Arbeitskräftebedarfs führen.

Insoweit ist regelmäßig eine Prognose dahingehend anzustellen, ob die Beschäftigungsmöglichkeit dauerhaft wegfällt. Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen.

Mit einem derartigen Sachverhalt hatte sich das Landesarbeitsgericht München im Zuge des Urteils vom 05.05.2021 (5 Sa 938/20) zu beschäftigen.

Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 05.05.2021, Aktenzeichen 5 Sa 938/20

Sachverhalt:

Die Arbeitgeberin beschäftigte ständig mehr als 10 Arbeitnehmer. Es handelt sich um ein Unternehmen der Reise- und Tourismusbranche. Es wurden von dem Unternehmen Schiffsservice, Parkservice, Touren und Gepäcklogistik angeboten. Wegen der Corona-Pandemie hatte die Stadt P eine Allgemeinverfügung erlassen, die das Anlegen von Personenschiffen im gesamten Stadtgebiet verbot. Dadurch wurden bei der Arbeitgeberin keine Stadtführungen mehr nachgefragt.

Die Klägerin und ein weiterer Kollege von ihr führten bei der Arbeitgeberin Stadtführungen durch. Für den Kollegen nahm die Arbeitgeberin ab 09.03.2021 die Kurzarbeiterregelung in Anspruch.

Die Klägerin des Verfahrens ist 1954 geboren und hatte das Rentenalter überschritten. Deshalb war für sie die Beantragung von Kurzarbeit nicht möglich.

Mit der Klägerin wurde von der Arbeitgeberin über eine Herabsetzung ihrer Monatsvergütung verhandelt. Zunächst wurde von der Arbeitgeberin eine Herabsetzung auf 1500,00 € brutto angeboten, später auf 1000,00 € brutto. Die Arbeitnehmerin lehnte ab, weil sie bei der letztgenannten Summe mit ca. 800,00 € netto auf einen Betrag unterhalb des Hartz-IV-Satzes gekommen wäre.

Die Arbeitgeberin erklärte daraufhin unter dem 08.04.2020 die Beendigungskündigung. Sie begründete diese mit dem Rückgang der Anforderung von Stadtführungen infolge der Corona-Pandemie. Die Klägerin erhob eine Kündigungsschutzklage. In der 1. Instanz vor dem Arbeitsgericht Passau verlor sie, in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht München hat sie den Prozess endgültig gewonnen – das Landesarbeitsgericht hat keine Revision zugelassen, weil sein Urteil auf einer gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beruht.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts befindet sich im Einklang mit der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dieser Frage. Das Landesarbeitsgericht hat in dem Urteil kurz auf den Weg hingewiesen, den Arbeitgeber in einem solchen Fall gehen müssten. Eine Beendigungskündigung ist nach dem Gesetz immer das letzte mögliche Mittel. Zuvor muss die Arbeitgeberin alle den /die Arbeitgeberin weniger belastenden Maßnahmen probiert haben. Richtig wäre der Weg der Änderungskündigung. Das Landesarbeitsgericht hat darauf hingewiesen, dass mit einer Änderungskündigung auch eine nur vorübergehende Absenkung der Vergütung von Seiten des Arbeitgebers versucht werden kann.

Analyse der Entscheidung und Praxishinweise:

Betriebsbedingte Kündigungen während einer Kurzarbeitsphase sind nicht grds. ausgeschlossen, sondern sind – wenn auch nur unter bestimmten Voraussetzungen – möglich.

Man muss hier schon genau beachten, was das Urteil bedeutet. Es ist in Unternehmen, die Kurzarbeit eingeführt haben, nicht immer gesetzeswidrig, betriebsbedingt zu kündigen. Denkbar ist beispielsweise, dass ein Unternehmen zwei Betriebe hat und aufgrund von Auftragsrückgangs beschließt, einen der Betriebe einzustellen und in dem anderen Kurzarbeit zu beantragen. Das wäre möglich. Auch wäre es möglich, in verschiedenen Arbeitsbereichen nur zum Teil Kurzarbeit einzuführen. In solchen Fällen könnte auch eine betriebsbedingte Beendigungskündigung möglich sein.

Auch bei Ausspruch von Kündigungen während der Kurzarbeit sind die ordentlichen Kündigungsfristen zu beachten. Weiter erlischt bei Ausspruch der Kündigung automatisch der Anspruch auf Kurzarbeitergeld für den betroffenen Arbeitnehmer und die Agentur für Arbeit stellt die Zahlungen für den gekündigten Arbeitnehmer nach § 98 Abs. 1 Nr. 2 SGB III ein.

Fraglich ist dann, ob dem gekündigten Arbeitnehmer bei Verlust des Anspruchs auf Gewährung von Kurzarbeitergeld, bis zum Kündigungszeitpunkt der volle Lohn von Seiten des Arbeitgebers zusteht.

Das Erlöschen des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld ändert nichts an der tarif-/einzelvertraglich oder per Betriebsvereinbarung vereinbarten Reduzierung der Arbeitszeit und dem damit einhergehenden Verdienstausfall. Der Arbeitnehmer bleibt bis auf Weiteres also nur noch zur verringerten Arbeitsleistung verpflichtet (oder bei „Kurzarbeit Null“ entfällt die Arbeitsverpflichtung sogar vollumfänglich) und stellt sich auf entsprechend reduzierte Vergütung ein – sowie regelmäßig im Zuge typischer „Kurzarbeitsvereinbarungen“ auch auf die zusätzliche Zahlung des sozialversicherungsrechtlichen Kurzarbeitergeldes. Das Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers und eine Zahlungsverpflichtung bei Entfall persönlicher Voraussetzungen zur Gewährung von Kurzarbeitergeld können auch lediglich auf diese Höhe begrenzt sein. Deshalb können Arbeitnehmer grundsätzlich auch zukünftig nur Bezahlung in Höhe des Betrags verlangen, den sie im Falle der Gewährung von Kurzarbeitergeld durch die Agentur für Arbeit erhalten hätten. Sie sind somit während des festgelegten Kurzarbeitszeitraums finanziell nicht besserzustellen, als wenn weiterhin Kurzarbeitergeld gezahlt worden wäre.

Die Feststellung der vom Arbeitgeber geschuldeten Vergütung nach Ausspruch der Kündigung kann von individuellen Regelungen abhängen und insofern Schwierigkeiten bereiten. Diese Schwierigkeiten können, ebenso wie die grundsätzlichen Fragen zum Verhältnis von Kurzarbeit und Kündigung, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils strategische Verhandlungspunkte sein. Sie können einvernehmlich, beispielsweise bei einer umfassenden außergerichtlichen oder gerichtlichen Einigung der Parteien, abschließend gelöst werden.

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