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Profitieren Sie von unserem Expertenwissen und bleiben Sie mir den von uns verfassten Einschätzungen zu aktuellen Entwicklungen aus Wirtschaft und Recht immer auf dem Laufenden.

Verfasst am 20.03.2023, Katharina Liffers

Wenn die Behandlungskosten den Wert des Tieres übersteigen

Die Frage die sich bei der Verletzung eines Tieres immer wieder stellt, ist die, ob die Behandlungskosten zur Wiederherstellung des Tieres verhältnismäßig sind. Wenn Tiere verletzt werden, übersteigen die Behandlungskosten oft den Wert des Tieres um ein Vielfaches. So wird regelmäßig vor Gericht diskutiert, ob dies noch verhältnismäßig ist und, ob der Schädiger tatsächlich Behandlungskosten übernehmen muss, welche in die Tausende gehen, während der verletzte Mischling womöglich gerade einmal einen tatsächlichen Wert von 150,00 € hat.

§ 251 Abs. 2 S. 2 BGB sagt hierzu, dass die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig sind, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen. Dies bedeutet, dass allein die Tatsache, dass die Tierarztrechnung höher ausfällt, als der Wert des Tieres den Schädiger noch nicht von der Leistung befreit. Bis zu welchem Wert die Kosten den tatsächlichen Wert des Tieres übersteigen können, wird jedoch uneinheitlich entschieden.

Das OLG Celle hat mit Urteil vom 15.02.2023, Az.: 20 U 36/20 (noch nicht rechtskräftig) entschieden, dass Behandlungskosten im Einzelfall auch zu ersetzen sind, wenn sie den Wert des Tieres um das 49-fache übersteigen.

Im zu entscheidenden Fall hatte ein Hund ein Pferd auf der Koppel gejagt und es anschließend bis in den nächsten Ort verfolgt. Das Pferd ist hierbei mehrfach gestürzt und hat sich schwere Verletzungen zugezogen. Obwohl des Pferd gerade einmal einen Wert von 300,00 € hatte, ließ der Halter das Pferd tierärztlich für mehr als 14.000,00 € versorgen.

Das OLG Celle hat zunächst ausgeführt, dass der Hundehalter den gesamten Schaden zu erstatten hat. Der Schaden ist zwar auch auf den Fluchtinstinkt des Pferdes zurückzuführen, allerdings hat das Pferd nicht nur kurz gescheut und ist dann weggelaufen, sondern es wurde von dem Hund gejagt. Die Tiergefahr des Hundes überwog damit den eigenen Verursachungsbeitrag des Pferdes bei Weitem.

Weiter hat der Senat entschieden, dass die Behandlungskosten vollständig zu erstatten sind und hierzu ausgeführt, dass sich eine streng wirtschaftliche Betrachtungsweise verbietet auf Grund der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf und schmerzempfindliches Lebewesen. Es sind vielmehr sämtliche Umstände, unter anderem Erfolgsaussichten der Behandlung, Alter des Tieres und die Beziehung des Halters zum Tier, abzuwägen.

 

Im Übrigen verbietet sich nach diesseitiger Ansicht schon im Hinblick auf den im Tierschutzgesetz niedergelegten Gedanken des Schutzes der lebenden Natur eine streng wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Höhe der Behandlungskosten von Tieren.

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Verfasst am 10.03.2023, Katharina Liffers

Gender – Pay – Gap – Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern

Mit Urteil vom 16.02.2023, Az.: 8 AZR 450/21 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass eine Frau Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche / gleichwertige Arbeit hat wie ein Mann.

Im vom BAG entschiedenen Fall hat die Klägerin, obwohl sie die gleiche Arbeit verrichtete, weniger verdient als ihr männlicher Kollege. Die Arbeitgeberin begründete dies u.a. damit, dass der Kollege ein höheres Entgelt ausgehandelt habe.

Das BAG hat nun entschieden, dass ein gutes Verhandlungsgeschick bei Gehaltsgesprächen nicht mehr ausreicht, um einen Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen zu rechtfertigen. Der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Gehalt erhalten hat als ihr männlicher Kollege, begründe die Vermutung nach § 22 AGG, dass die Benachteiligung auf Grund des Geschlechts erfolgt ist, so das BAG. Diese Vermutung hätte die Arbeitgeberin widerlegen müssen, was ihr nicht gelungen ist.

Das BAG hat die Arbeitgeberin verurteilt der Klägerin 14.500,00 € Gehalt nachzuzahlen. Zudem hat sie an die Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 2.000,00 € zu bezahlen.

Dieses Urteil dürfte zu mehr Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen führen und stärkt den Frauen bei der Diskussion um die Lohnlücke den Rücken.

 

So viel zur Theorie. In der Praxis stellt sich natürlich die Frage, wie ich herausfinden kann, ob ich als Frau tatsächlich weniger verdiene als die männlichen Kollegen. In Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten hilft das Entgelttransparenzgesetz, welches allen Männern und Frauen einen individuellen Auskunftsanspruch gibt (§ 10 EntgTranspG). Bei kleineren Betrieben kann der Betriebsrat weiterhelfen.

 

Wenn Sie vermuten, dass Sie auf Grund Ihres Geschlechts bei der Höhe Ihres Gehalts benachteiligt werden, sprechen Sie uns gerne an und vereinbaren einen Beratungstermin.

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Verfasst am 27.02.2023, Katharina Liffers

Tierhalterhaftung

§ 833 S. 1 BGB regelt die sogenannte Gefährdungshaftung von Tierhaltern und führt hierzu aus wie folgt:

„Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“

Dies bedeutet, der Tierhalter haftet verschuldensunabhängig, allein auf Grund der Tatsache, dass er durch die Haltung eines Tieres eine gewisse Gefährdung seiner Umwelt herbeiführt. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die sogenannte typische Tiergefahr verwirklicht hat. Diese äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten des Tieres. Hierunter fällt z.B. das Beißen von Hunden oder Ausschlagen von Pferden.

Der BGH hat hierzu mit Urteil vom 26.04.2022, Az. VI ZR 1321/20  folgerichtig ausgeführt, dass allein der Biss einer Katze die Voraussetzungen des § 833 S. 1 BGB erfüllt. Der Schadenshergang ist hierbei nicht entscheidend. Entscheidend ist allein, dass der Geschädigte durch den Katzenbiss, in welchem sich die typische Tiergefahr der Katze verwirklicht hat verletzt worden ist. Die Einzelheiten des Schadenshergangs könnten lediglich bei der Frage Bedeutung erlangen, ob die Tierhalterhaftung wegen Mitverschuldens – oder ganz ausnahmsweise wegen rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung – beschränkt oder ausgeschlossen ist.

Das Urteil zeigt wieder einmal mehr, dass es unumgänglich ist als Tierhalter über eine Haftpflichtversicherung zu verfügen, durch welche entsprechende, durch ein Tier verursachte Schäden, abgedeckt werden. Im vom BGH entschiedenen Fall wurde ein Besucher von der Katze gebissen. Da sich die Wunde entzündete, musste dieser insgesamt sechsmal operiert werden. Der durch die Katze verursachte Schaden war also dementsprechend groß. Während Katzen über die private Haftpflichtversicherung versichert sind, müssen für z.B. Hunde und Pferde extra Versicherungen abgeschlossen werden.

Sollten Sie oder z.B. Ihr Tier durch ein anderes Tier geschädigt werden, oder Ihr Tier einen Schaden verursachen, können Sie sich gerne an mich wenden. Ich werde Ihnen helfen Ihre berechtigten Ansprüche durchzusetzen und unberechtigte Ansprüche abzuwehren.

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Verfasst am 13.02.2023, Katharina Liffers

Verjährung von Urlaubsansprüchen

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.12.2022 (BAG Az.: 9 AZR 266/20) entschieden, dass der gesetzliche Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub der dreijährigen gesetzlichen Verjährungsfrist unterliegt und diese erst am Ende des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Eine viele Jahre beschäftigte Arbeitnehmerin konnte ihren Urlaub nie vollständig nehmen. Nach dem sie gekündigt hatte, standen 101 offene Urlaubstage an, welche sie klageweise geltend machte. Der Arbeitgeber erhob die Einrede der Verjährung und bekam damit in erster Instanz recht. Hiergegen legte die Arbeitnehmerin Berufung ein, worauf hin ihr vom Landesarbeitsgericht eine weitere Abgeltung für 76 Tage zugesprochen wurde. Mit seiner hiergegen eingelegte Revision unterlag der Arbeitgeber vor dem BAG.

Das BAG führte aus, dass die regelmäßige Verjährungsfrist bei richtlinienkonformer Auslegung des § 199 I BGB erst mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Damit hat der Senat die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union umgesetzt, wonach der Zweck der Verjährungsvorschriften, nämlich Rechtssicherheit, hinter dem Zweck die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Urlaub zu schützen, zurücktritt.

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Verfasst am 12.12.2022, Bernd Gasteiger

Ist nach Corona in der endemischen Phase ein fortgesetzter Verbleib im Home Office möglich?

Befristet bis zum 19.3.2022 sah das Infektionsschutzgesetz eine weitgehende gesetzliche Verpflichtung für Arbeitgeber zur Gewährung von Home Office vor.

Wenige Arbeitgeber haben die gesamte Belegschaft sofort wieder an ihren betrieblichen Arbeitsplatz zurückbeordert. Viele Arbeitgeber haben ihre Arbeitnehmer auch vor dem Hintergrund anhaltend hoher Inzidenzwerte freiwillig weiterhin am häuslichen Arbeitsplatz arbeiten lassen und stellen den Büroalltag erst schrittweise wieder her. Es ist der Wunsch vieler Arbeitnehmer, die durchaus als komfortabel und effizient angesehene Home Office-Situation unabhängig vom Pandemiegeschehen aufrecht zu erhalten.

Arbeitsrechtliche Ausgangssituation

Arbeitnehmer haben grundsätzlich keinen Anspruch darauf, im Home Office zu arbeiten. Wie so oft kommt es auch hier auf den Einzelfall an. Gewährt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern aber über einen längeren Zeitraum die Arbeit aus dem Home Office, kann darin eine konkludente Änderung des Arbeitsvertrages im Hinblick auf den geschuldeten Arbeitsort liegen. Dies kommt sowohl in Form der Konkretisierung des Direktionsrechts, als auch bei einer kollektiven Gestattung in Form einer betrieblichen Übung, in Betracht.

1. Konkretisierung des Direktionsrechts

Für eine individuelle Konkretisierung des Direktionsrechts ist entscheidend, ob sich der Arbeitgeber aus Sicht des Arbeitnehmers aus objektiver Sicht rechtsgeschäftlich binden wollte, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung künftig nur noch im Home Office erbringen dürfen. In diesem Zusammenhang dürfte zwischen der Zeit der noch anhaltenden Pandemie und dem Übergang in eine endemische Phase zu unterscheiden sein.

Was gilt nun, wenn Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer auch nach Abflachen des Infektionsgeschehens nicht zunächst nicht wieder ins Büro zurückbeordert haben, sondern diese dort zunächst haben weiterarbeiten lassen. In diesem Fall kann der Gesundheitsschutz wohl nicht mehr als Auslegungskriterium herangezogen werden.

Nach dem BAG kann der Arbeitnehmer jedoch allein aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber eine bisherige Praxis über eine lange Zeit unverändert gelassen hat, ohne das Hinzutreten „besonderer Umstände“ noch nicht schließen, der Arbeitgeber wolle künftig auf die Ausübung seines Direktionsrechts für den Fall Home Office im Hinblick auf den Arbeitsort verbindlich verzichten. Etwas anderes ist nur denkbar, wenn der Arbeitgeber erkennbar dem Interesse der einzelnen Arbeitnehmer an einer dauerhaften Tätigkeit im Home Office Rechnung tragen wollte. Treten derartige Umstände neben dem reinen Zeitablauf nicht hinzu, lässt sich aus dem bloßen Verbleib der Arbeitnehmer im Home Office auch nach Abflachen des Infektionsgeschehens ein Rechtsanspruch nicht herleiten.

Hierzu auch das LAG München, Urteil vom 26.8.2021 – 3 SaGa 13/21:

Ein Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer gestattet hat, seine Tätigkeit als Grafiker von zu Hause aus zu erbringen, ist nach § 106 Satz 1 GewO grundsätzlich berechtigt, seine Weisung zu ändern, wenn sich später betriebliche Gründe herausstellen, die gegen eine Erledigung von Arbeiten im Homeoffice sprechen. Nach dem Willen des Verordnungsgebers vermittelt § 2 Abs. 4 SARS-CoV-2-ArbSchVO kein subjektives Recht auf Homeoffice.

Aber: Arbeitgeber hat nach billigem Ermessen vorzugehen

Die Weisung des Arbeitgebers hatte in dem der Entscheidung des LAG München zugrundeliegenden Fall die Grenzen billigen Ermessens gewahrt, da zwingende betriebliche Gründe der Ausübung der Tätigkeit des Arbeitnehmers im Homeoffice entgegenstanden. So entsprach die technische Ausstattung am häuslichen Arbeitsplatz nicht der am Bürostandort. Zudem war nicht gewährleistet gewesen, dass Daten in vergleichbarer Weise wie unter Nutzung des Firmennetzwerks vor dem Zugriff Dritter geschützt seien.

Auch das allgemeine Risiko einer Ansteckung mit Covid-19 stand der Weisung nicht entgegen, da dieses durch ein Hygienekonzept und Einzelbüros am Standort des Arbeitgebers als gering einzuschätzen war.

 

2. Anspruch auf Home Office aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz

Ein Anspruch aus Gleichbehandlungsgrundsatz setzt voraus, dass der Arbeitgeber eine Gruppe von Arbeitnehmern, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, aufgrund einer selbst gesetzten abstrakten Regel ohne sachlichen Grund ungleich behandelt. Dem Unternehmen steht es jedoch zu, einzelne Mitarbeiter aufgrund individueller Regelung begünstigend zu behandeln. Regelmäßig wird es einzelnen Beschäftigten aufgrund individueller Vereinbarung das Homeoffice zusprechen. Sollte dies in der Praxis so der Fall sein, ist die Geltendmachung eines Anspruchs durch andere aus Gleichbehandlungsgründen grundsätzlich nicht zu befürchten.

 

3. Betriebliche Übung

Die vorgenannten Grundsätze gelten gleichermaßen auf kollektiver Ebene für die Annahme einer betrieblichen Übung. Mithin führt auch die kollektive Fortsetzung des Home Office in der Regel ohne das Vorliegen besonderer Umstände nach der Pandemie zu einem verbindlichen Rechtsanspruch.

Das Entstehen einer betrieblichen Übung erfordert grundsätzlich ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, aus dem dieser schließen durfte, der Arbeitgeber wolle sich zu der gewährten Leistung auch in Zukunft verpflichten. Eine betriebliche Übung scheidet demnach aus, wenn der Mitarbeiter nur unregelmäßig und mit zeitlichen Zäsuren seine Tätigkeit aus dem Homeoffice wahrnimmt.

Im Übrigen ist zweifelhaft, ob das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung bzgl. der Gewährung von Home Office überhaupt einschlägig sein kann. Unter betrieblicher Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Bei der Gewährung von Home Office handelt es sich hingegen nicht um eine Zuwendung des Arbeitgebers, sondern um die Konkretisierung der Leistungspflicht des Arbeitnehmers. Im Übrigen kann sich die Arbeit im Home Office je nach Einzelfall und Interessenlage des Arbeitnehmers auch als belastend darstellen – eine „belastende betriebliche Übung“ kann es indes nicht geben. Beispielsweise entsteht auch keine betriebliche Übung bei Zigarettenpausen, vgl. LAG Nürnberg, Urteile vom 5.8.2015 – 2 Sa 132/15 und 5.11.2015 – 5 Sa 58/15 (rechtskräftig). Auch in diesem Fall fehlt es an einem hinreichend bestimmtes Leistungsangebot durch Arbeitgeber mangels Kenntnis über Häufigkeit und Dauer der Raucherpausen.

 

4. Fazit

In der Regel ergibt sich aus dem rein tatsächlichen Verbleib der Arbeitnehmer im Home Office kein Rechtsanspruch; der vertraglich geschuldete Arbeitsort konkretisiert sich hierdurch nicht auf den häuslichen Arbeitsplatz. Sofern eine individuelle oder kollektive Vereinbarung nicht besteht, bleibt es dem Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechtes gem. § 106 GewO möglich, die Arbeitnehmer unter Berücksichtigung billigen Ermessens und Einhaltung der arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben an die betriebliche Arbeitsstätte zurückzubeordern.

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Verfasst am 29.11.2022, Bernd Gasteiger

Sonderkündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte – EuGH und BAG stärken die Rechte

Datenschutzbeauftragte werden durch die deutsche und die europäische Rechtsordnung besonders geschützt. Als bedeutender Teil des Datenschutzkontrollsystems sollen sie sich möglichst unabhängig der Einhaltung und Durchführung der Datenschutzvorschriften widmen. Zu diesem Zweck genießen sie eine Reihe arbeitsrechtlicher Privilegien.

 

Einleitung:

Als weitestreichendes Privileg genießen Datenschutzbeauftragte einen echten Sonderkündigungsschutz. Dieser wurde durch das Änderungsgesetz vom 14.8.2009 in § 4 f III 5 BDSG aF eingeführt. Hierdurch sollte die Position des Beauftragten für den Datenschutz nochmals gestärkt und an vergleichbare Funktionsträger angepasst werden, für die bereits ein Sonderkündigungsschutz bestand, wie zB für den Gewässerschutz-, Immissionsschutz- oder Abfallbeauftragten. Die DS-GVO enthält keinen Sonderkündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten. Der Gesetzgeber des BDSG hat den bisherigen Abberufungs- und Kündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten ausdrücklich als Ergänzung zur DS-GVO beibehalten. Zu dieser spezifisch arbeitsrechtlichen Regelung bedurfte es keiner expliziten Öffnungsklausel. Vielmehr hat die EU auf den jeweils weit gefassten Gebieten der „Arbeitsbedingungen“ und dem „Schutz der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrags“ nach Art. 153 I Buchst. b, d, II AEUV lediglich die Kompetenz zum Erlass von nicht harmonisierenden Richtlinien, nicht jedoch von Verordnungen.

Seit dem 25.05.2018 müssen Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten bestellen, wenn sich mindestens zehn Personen ständig mit der Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen. Der zu bestellende Datenschutzbeauftragte ist in Fragen des Datenschutzes vom Arbeitgeber weisungsunabhängig und darf weder abberufen noch benachteiligt werden. Er ist dafür zuständig, die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu überprüfen.

Mit Inkrafttreten der europäischen DSGVO wurde das alte Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) durch ein neues Bundesdatenschutzgesetz ersetzt. Die DSGVO enthält selbst keinen besonderen Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte. Dieser ergibt sich nunmehr Art. 38 Abs. 2 BDSG i. V. m. Art. 6 Abs. 4 BDSG. Der besondere Kündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten greift somit ab dem Zeitpunkt seiner Bestellung.

  1. Rechtsgrundlagen des Kündigungsschutzes

Die zuvor auf Bundesebene einheitliche Rechtsgrundlage des § 4 f III 5, 6 aF BDSG ist seit dem Inkrafttreten des neu gefassten BDSG am 25.5.2018 gespalten. Eine Kündigung ist nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die die öffentliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Für nichtöffentliche Stellen verweist § 38 II BDSG für den Fall eines verpflichtend zu benennenden Datenschutzbeauftragten auf § 6 IV 2, 3 BDSG.

Merke:

Der Sonderkündigungsschutz betrifft somit, genau wie § 4 f III 5 BDSG aF dies noch ausdrücklich normierte, nur die Fälle, in denen der Arbeitgeber zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet ist.

Mithin muss, sofern es sich nicht um öffentliche Stellen handelt, entweder der Schwellenwert des § 38 I 1 BDSG überschritten oder § 38 I 2 BDSG erfüllt sein. Für Datenschutzbeauftragte, deren Stelle nicht zur Benennung verpflichtet ist, gilt heute lediglich das allgemeine Abberufungs- und Benachteiligungsverbot des Art. 38 III 2 DSGVO, da § 38 II BDSG für diesen Fall nicht auf § 6 IV BDSG verweist.

Ein umfassender Schutz vor ordentlichen Kündigungen besteht in diesen Fällen nicht. Umso bedeutsamer wird insofern für Datenschutzbeauftragte von freiwillig benennenden Stellen das allgemeine Benachteiligungsverbot nach Art. 38 III 2 DS-GVO bzw. § 6 III 3 BDSG: Erfolgt eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung des Beauftragten „wegen der Erfüllung seiner Aufgaben“ bzw. aus Gründen, die mit der Amtsausübung in untrennbarem Sachzusammenhang stehen, ist sie bereits infolge des Benachteiligungsverbots unwirksam.

Von dem Fall, in dem eine Stelle nicht zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet ist, ist die Konstellation zu unterscheiden, in der eine Stelle, die zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet ist, freiwillig zwei oder mehrere Datenschutzbeauftragte benennt. Dies ist grundsätzlich zulässig und im Sinne des Vier-Augen-Prinzips sogar teleologisch wünschenswert. Auch für diese zusätzlich benannten Datenschutzbeauftragten greift der besondere Abberufungs- und Kündigungsschutz des § 6 IV BDSG sowie der Verweis des § 38 II BDSG. Letzterer privilegiert kleinere Stellen, die nicht in den Anwendungsbereich des § 38 I BDSG oder jenen des Art. 37 I Buchst. b, c DSGVO fallen. Dort soll der Arbeitgeber nicht durch den Sonderkündigungsschutz von der freiwilligen Benennung eines Datenschutzbeauftragten abgehalten werden. Entscheidet sich jedoch ein ohnehin zur Benennung verpflichteter Arbeitgeber freiwillig dazu, mehrere Datenschutzbeauftragte zu benennen, wäre es nicht sachgerecht, den Verweis des § 38 II BDSG lediglich auf den zuerst Benannten zu beziehen.

Aus dem Wortlaut des § 6 IV 2, 3 BDSG, der ausdrücklich auf die Kündigung des „Arbeitsverhältnisses“ abstellt, geht hervor, dass der Sonderkündigungsschutz ausschließlich für interne Datenschutzbeauftragte gilt. Externe Datenschutzbeauftragte werden angesichts der erforderlichen Weisungsunabhängigkeit nicht aufgrund eines Arbeitsvertrags für den Verantwortlichen tätig.

  1. Inhalt des Kündigungsschutzes

Greift der Sonderkündigungsschutz des § 6 IV 2 (iVm § 38 II) BDSG, ist eine ordentliche Kündigung des Datenschutzbeauftragten ausgeschlossen. Erfasst werden sämtliche ordentliche Beendigungs- und Änderungskündigungen, nicht jedoch Aufhebungsverträge. Zulässig bleibt allein die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund. Als ein solcher kommt jeder Grund aus dem Arbeitsverhältnis in Betracht, der die Kündigung nach § 626 BGB legitimiert. Der wichtige Grund muss nicht aus der Funktion als Datenschutzbeauftragter resultieren.

Umgekehrt legitimiert ein „wichtiger Grund“ iSd § 6 IV 1 (iVm § 38 II) BDSG, der die Abberufung des Datenschutzbeauftragten rechtfertigt, nicht zwangsläufig die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Fehlt es nur an der Eignung zur Fortführung des datenschutzrechtlichen Amts, ohne dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen unzumutbar ist, oder sind die gesetzlichen Voraussetzungen zur verpflichtenden Benennung entfallen, kommt nur die isolierte Abberufung, nicht aber die umfassende außerordentliche Beendigungskündigung in Betracht.

Eine analoge Anwendung von § 15 V 2, IV KSchG im Rahmen der Kündigung eines Datenschutzbeauftragten im Fall der Betriebsstilllegung ist abzulehnen.

 

Insbesondere wird auch eine Kündigung des Datenschutzbeauftragten aus betriebsbedingten Gründen regelmäßig ausgeschlossen sein.

Der datenschutzrechtliche Sonderkündigungsschutz ist insoweit abschließend.

Der Sonderkündigungsschutz tritt ab dem Zeitpunkt der wirksamen Benennung ein. Er greift auch bereits in der Probezeit. Andernfalls wäre während der Probezeit die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten nicht gewährleistet und hätte ein Unternehmer die Möglichkeit, nur Arbeitnehmer als Datenschutzbeauftragte einzusetzen, die sich noch in der Probezeit befinden. Als weiteres Instrument der Unabhängigkeitssicherung schreibt § 6 IV 3 (iVm § 38 II) BDSG den Sonderkündigungsschutz für die Dauer eines Jahres nach Abberufung fort. Dieser nachwirkende Schutz wurde zeitgleich mit dem Sonderkündigungsschutz im damaligen § 4 f III 6 aF BDSG eingeführt. Auch dies erfolgte in Anlehnung an die Vorschriften bei vergleichbaren Funktionsträgern. Der Abberufung im Sinne des nachwirkenden Schutzes steht jede andere Beendigung der Benennung gleich, etwa auch die freiwillige Amtsniederlegung. Entsprechendes gilt – wie das BAG zur früheren Rechtslage jüngst entschieden hat – auch für den Verlust des Sonderkündigungsschutzes durch bloßes Unterschreiten des Schwellenwerts.

  1. EuGH stärkt Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten

Der EuGH stärkt in seinem Urteil vom 22. Juni 2022, Az. C – 534/20 die Stellung des internen Datenschutzbeauftragten. Durch den als europarechtskonform beurteilten Sonderkündigungsschutz wird die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten, der als Arbeitnehmer in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zu dem Arbeitgeber steht, gefördert.

  1. Aktuelle Entscheidung BAG Urteil vom 25. August 2022 – 2 AZR 225/20

Die normative Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes von betrieblichen Datenschutzbeauftragten verstößt nicht gegen die Grundrechte des Arbeitgebers aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 GG. Es handelt sich nach BAG um eine geeignete, erforderliche wie auch angemessene Einschränkung der Berufsfreiheit des Arbeitgebers, die im Wesentlichen dem Sonderkündigungsschutz für Betriebsräte (§ 15 Abs. 1 KSchG) oder Immissionsschutzbeauftragte (§ 58 Abs. 2 BImSchG) entspricht.

Der Eingriff in die Berufsfreiheit des Arbeitgebers erheblich. Denn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird dem Arbeitgeber genommen, selbst wenn der Kündigungssachverhalt nichts mit der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter zu tun hat.

  1. Fazit:

Wird ein interner Mitarbeiter Datenschutzbeauftragter und ist der Arbeitgeber zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet, dann greift der Sonderkündigungsschutz anders als der allgemeine Kündigungsschutz auch schon vor Ablauf der Wartezeit (§ 1 KSchG) und in kleinen Betrieben (§ 23 KSchG) unabhängig von der Betriebsgröße. Selbst nach der Abberufung des Datenschutzbeauftragten steht diesem ein nachwirkender Kündigungsschutz zu (§ 6 Abs. 4 S. 3 BDSG).

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Verfasst am 21.06.2022, Bernd Gasteiger LL.M.

Muss ich oder mein Chef Überstunden beweisen?

Wer Überstunden macht, kann diese grundsätzlich ausbezahlt bekommen oder dafür Freizeitausgleich erhalten. Aber wie wird festgestellt, wie viele Überstunden tatsächlich bestehen? Muss der Arbeitnehmer selbst die Ableistung seiner Überstunden beweisen oder der Arbeitgeber das Gegenteil? Mit dieser Frage musste sich das Bundesarbeitsgericht aktuell wieder einmal auseinandersetzen.

1.

Das BAG hat mit Urteil vom 04.05.2022 - 5 AZR 359/21 aktuell entschieden, dass der Arbeitnehmer zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden zunächst darzulegen hat, Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten zu haben. Zum anderen muss der Arbeitnehmer vortragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat.

a)

Konkret ging es im Urteil um einen ehemaligen Auslieferungsfahrer, der nach seiner Kündigung 348 nicht abgegoltene Überstunden ausbezahlen lassen wollte. Das Unternehmen wollte ihm die über 5.000 EUR nicht zahlen, da der Fahrer während der Arbeit zahlreiche Pausen eingelegt habe – die er zwar nicht habe eintragen können – deren Abhaltung allerdings angeordnet gewesen sei.

Zudem hätte der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber zufolge die Arbeit gar nicht ohne Pausen erledigen können, da er ein „starker Raucher“ gewesen sei. Der ehemalige Auslieferer hatte dem entgegengehalten, dass er gar keine Gelegenheit gehabt habe, um Pausen einzulegen, so viel habe er zu tun gehabt.

b)

Das ArbG Emden hatte der Klage des Klägers zunächst mit der Begründung stattgegeben, durch das Urteil des EuGH vom 14.05.2019 (C-55/18 – „CCOO“), wonach die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen, die Darlegungslast im Überstundenvergütungsprozess modifiziert werde. Die positive Kenntnis von Überstunden als eine Voraussetzung für deren arbeitgeberseitige Veranlassung sei jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitgeber sich die Kenntnis durch Einführung, Überwachung und Kontrolle der Arbeitszeiterfassung hätte verschaffen können. Ausreichend für eine schlüssige Begründung der Klage sei, die Zahl der geleisteten Überstunden vorzutragen. Da die Beklagte ihrerseits nicht hinreichend konkret die Inanspruchnahme von Pausenzeiten durch den Kläger dargelegt habe, sei die Klage begründet.

c)

Das LAG Niedersachsen hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage – mit Ausnahme bereits von der Beklagten abgerechneter Überstunden – abgewiesen.

d)

Das BAG urteilte, dass das LAG Niedersachsen als Berufungsgericht richtig erkannt habe, dass vom Erfordernis der Darlegung der arbeitgeberseitigen Veranlassung und Zurechnung von Überstunden durch den Arbeitnehmer auch nicht vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung des EuGH abzurücken ist.

2.

Hinweise für die Praxis:

a)

Wird der Arbeitnehmer gekündigt oder kündigt er selbst, greift die vertragliche Regelung für Überstunden – d.h. abfeiern oder ausbezahlen. Das gilt nicht, wenn es sich um eine fristlose außerordentliche Kündigung handelt.

Da diese sofort wirksam ist, kommt ein Freizeitausgleich nicht mehr in Betracht und die geleisteten Stunden müssen ausgezahlt werden. Gibt es keine Regelung im Arbeitsvertrag, greift die gesetzliche und der Arbeitnehmer hat grundsätzlich einen Anspruch auf Vergütung.

b)

Die EuGH-Urteil beeinflusst die deutsche Beweislast bei Überstunden nicht. Der der auch aus Sicht des BAG zutreffenden Auffassung des Landesarbeitsgerichts in zweiter Instanz fehlt den Europarichtern gem. Art. 253 Abs. 5 AEUV schlichtweg die Kompetenz dazu, Entscheidungen über das Arbeitsentgelt zu treffen. Das EuGH-Urteil ist lediglich zur Auslegung und Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und von Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergangen und hat damit nach Ansicht des BAG keinen Einfluss auf die Darlegungs- und Beweislast im deutschen Überstundenvergütungsprozess.

c)

Der Arbeitnehmer trägt weiterhin die Beweislast für geleistete Überstunden und muss außerdem darlegen, dass diese ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt wurden. Einem Arbeitgeber, der keine Zeiterfassung einführt, trifft folglich bei Vergütungsfragen wie der Überstundenabgeltung keine geänderte Beweislast.

d)

Der Arbeitnehmer genügt der ihm obliegenden Darlegungslast für die Leistung von Überstunden in erster Stufe zunächst, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat, so vgl. BAG, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 5 AZR 362/16.

 

Ich helfe Ihnen bei arbeitsrechtlichen Fragestellungen gerne weiter.

 

Rechtsanwalt Bernd Gasteiger LL.M.

Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Verfasst am 21.06.2022, Bernd Gasteiger LL.M.

Einsatz von einstweiligen Verfügungen gegen die Einreichung und Berichtigung von ( fehlerhaften ) GmbH- Gesellschafterlisten bei Gesellschaftsstreitigkeiten

  1. Einleitung

Die Gesellschafterliste hat spätestens durch das MoMiG im Jahr 2008 an Bedeutung gewonnen und galt fortan neben dem Gesellschaftsvertrag als „Zentraldokument der GmbH und ihrer Gesellschafter“. Die Gesellschafterliste gibt wieder, wer im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter gilt und damit Gesellschafterrechte (z.B. Stimm-, Teilnahme-, Rede- und Einsichtsrechte) ausüben kann. Diese sog. Legitimationswirkung (§§ 16, 40 GmbHG) besteht selbst dann, wenn die Gesellschafterliste inhaltlich unrichtig ist. Durch die in § 16 I 1 GmbHG statuierte Legitimationswirkung gilt derjenige, der als Gesellschafter in die in das Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste eingetragen ist, gegenüber der Gesellschaft als Gesellschafter und zwar unabhängig von seiner materiell-rechtlichen Berechtigung. Sogar bei eingezogenen und nunmehr nicht mehr existenten Geschäftsanteilen gilt die Legitimationswirkung des § 16 I 1 GmbHG fort.

Wird in einer GmbH ein Beschluss über die Ausschließung eines Gesellschafters gefasst und von der Versammlungsleitung festgestellt, ist der Ausgeschlossene auf einstweiligen Rechtsschutz angewiesen, wenn er gegen seine Ausschließung vorgehen möchte. Nur so kann der Ausgeschlossene erwirken, in der Zwischenzeit (bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über seine Anfechtungsklage) weiterhin als Gesellschafter behandelt zu werden.

Anderenfalls reicht die Geschäftsführung der GmbH eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister ein, in welcher der Ausgeschlossene nicht mehr als Gesellschafter ausgewiesen ist. Dies hat zur Folge, dass der Ausgeschlossene (selbst wenn der Ausschluss gar nicht wirksam ist) als Nicht-Gesellschafter zu behandeln wäre.

Im Rahmen von Streitigkeiten im Gesellschafterkreis und Auseinandersetzung gegenüber dem Unternehmensmanagement spielt somit der einstweilige Rechtsschutz, insbesondere die einstweilige Verfügung, eine überragende Rolle. Wird ein (unwirksamer) Gesellschafterbeschluss über die Einziehung oder Zwangsabtretung der GmbH- Geschäftsanteile eines Gesellschafters gefasst, kann dieser dagegen zwar mit der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage vorgehen. Eine Entscheidung ist regelmäßig aber erst nach Monaten, mitunter sogar erst nach Jahren zu erwarten. Wurde für die Zwischenzeit eine neue Gesellschafterliste beim Handelsregister hinterlegt, verliert der Gesellschafter bis zur Entscheidung die Möglichkeit, seine Gesellschafterrechte auszuüben.

Die Legitimationswirkung spielt bei Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern somit eine überragende Rolle.

 

  1. Formale und materielle Voraussetzungen der einstweiligen Verfügung – Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund

 

  • Verfügungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Verfügung

 

a)

Der Verfügungsanspruch beruht auf dem Gesellschaftsvertrag. Wenn der Gesellschafterbeschluss wegen formaler Fehler oder aus materiell rechtlichen Gründen, z.B. wegen Fehlens eines wichtigen Einziehungsgrundes unwirksam ist, hat der betroffene Gesellschafter den vertraglichen  Anspruch, weiterhin als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten behandelt zu werden.

Der Anspruch auf Einreichung und nachträgliche Berichtigung einer unrichtigen Gesellschafterliste richtet sich gegen die GmbH.

 

b)

Der Verfügungsanspruch für die Anträge im einstweiligen Rechtsschutz gegen neue Gesellschafterlisten nach Zwangsausschluss des betroffenen Gesellschafters besteht dann, wenn eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Einziehung der Geschäftsanteile des antragstellenden Gesellschafters rechtswidrig ist und damit im Hauptsacheverfahren keinen Bestand haben wird.

(1)

Es ist mit Antragstellung glaubhaft zu machen, dass der Einziehungsbeschluss zumindest an einem zur Anfechtung berechtigenden Beschlussmangel leidet. Dies ist dann der Fall, wenn der Gesellschafter bspw. glaubhaft machen kann, dass ein wichtiger Grund für die Einziehung gemäß § 34 Abs. 1 und 2 GmbHG nicht vorliegt und die Einziehung daher unberechtigt ist.

Wichtige Gründe für den Zwangsausschluss sind am Maßstab der §§ 133, 140 HGB zu messen. Ein wichtiger Grund für die Einziehung ist zudem nur dann gegeben, wenn die Fortsetzung der Gesell-schaft mit dem Ausschließenden für die übrigen Gesellschafter unzumutbar ist. Eine Entscheidung hierüber erfordert eine umfassende Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer beiden Seiten gerecht werdenden Gesamtabwägung. Dabei sind vor allem Art und Schwere des Fehlverhaltens des Auszuschließenden sowie ein etwaiges Fehlverhalten des den Ausschluss betreibenden Gesellschafters zu berücksichtigen.

Für die 2-Personen Gesellschaft in der Konstellation 50:50 ist nach ständiger Rechtsprechung (BGH NZG 2003, 625, 627 - für GbR -; BGH GmbHR 1991, 362, 363 – für GmbH –; BGHZ 80, 346 = NJW 1981, 2302, 2303 - für oHG -; BGH NJW 1960, 866, 868 f. - für GmbH -) zusätzlich zu berücksichtigen, dass einer von zwei Gesellschaftern nicht wegen gesellschaftswidrigen Verhaltens aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn auch in der Person des die Ausschließung betreibenden Gesellschafters ein wichtiger Grund zur Ausschließung verwirklicht ist.

In der Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass es bei einer 2- Personen-Gesellschaft bereits  für die Einziehung an einem wichtigen Grund für die Einziehung fehlt, wenn in der Person des die Einziehung betreibenden Gesellschafters ebenfalls ein wichtiger Grund für einen Ausschluss gegeben ist, vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 13. Mai 2013, NZG 2013, 1146, OLG Thüringen, Urteil vom 5. Oktober 2005, NZG 2006, 36.

Diese Maßnahme des Zwangsausschlusses ist in einer 2- Personen-Gesellschaft somit selbst dann ausgeschlossen, wenn in der Person des Auszuschließenden eindeutig ein wichtiger Grund vorliegt und er durch das betreffende Fehlverhalten die Streitsituation zwischen den Gesellschaftern maßgeblich verschuldet hat, sofern der andere Mitgesellschafter aufgrund eigenen Fehlverhaltens für das Zerwürfnis mitverantwortlich ist. In solchen Fällen bleibt lediglich die Auflösung der Gesellschaft, die durch Auflösungsklage gemäß § 61 Abs. 1 GmbHG durchgesetzt werden kann, vgl. LG Frankfurt am Main, Urteil vom 13. November 2013, NZG 2013,1427.

Die Einziehung kommt auch nur als "ultima ratio" in Betracht, nämlich wenn die Unzumutbarkeit nicht durch mildere Mittel beseitigt werden kann (BGH, NZG 2002, 625; NJW 2011, 2578, 2580 Rdn. 30; NZG 2015, 429, 432 Rdn. 37).

Wenn nicht unerhebliche Zeit zwischen Anlass des Zwangsausschlusses und der Beschlussumsetzung liegt, verliert ein angeführter wichtiger Grund, selbst wenn er vorliegt, zudem an Gewicht (vgl. BGH, Urteil vom 20.02.1995 - II ZR 46/94, juris-Rn. 18).

 

(2)

Eine Einziehung eines Geschäftsanteils an einer GmbH nach § 34 GmbHG setzt zudem voraus, dass der Geschäftsanteil voll eingezahlt ist. Andernfalls ist ein Einziehungsbeschluss nicht nur anfechtbar, sondern von Anfang an nichtig. Der Verfügungsanspruch ließe sich in einem solchen Fall leicht für den Erlass einer einstweiligen Verfügung glaubhaft machen.

 

(3)

Am Maßstab der vorstehenden Grundsätze ist dann für den ausgeschlossenen darzulegen, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass kein wichtiger Grund für die Einziehung der Geschäftsanteile des Antragstellers gemäß § 34 Abs. 1 und 2 GmbHG vorlag und die Einziehung daher unberechtigt war.

Damit ist der Verfügungsanspruch dann glaubhaft gemacht (vgl. allgemein: Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 294 Rn. 10 mwN). Es kann nicht verlangt werden, dass die Rechtslage eindeutig und die Berechtigung des Anspruchs des Antragstellers mit Sicherheit feststehen muss ( vgl. OLG Jena, NJW-RR 2017, 233; OLG München, Beschluss vom 18.05.2021 - 7 W 718/21 "hohe Wahrscheinlichkeit"). Ein noch strengerer Maßstab würde einstweiligen Rechtsschutz nicht nur weitgehend leerlaufen lassen; er steht auch nicht im Einklang mit der zwischenzeitlich ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung: Wegen der positiven wie negativen Legitimationswirkung der Gesellschafterliste aus § 16 Abs. 1 GmbHG muss, wie der BGH in seinem Urteil vom 02.07.2019 - II ZR 406/17, juris-Rn. 39 ausführt, "dem von einer möglicherweise fehlerhaften Einziehung seines Geschäftsanteils be-troffenen Gesellschafter [...] daher ein effektives Mittel zur Verfügung gestellt werden, seine Ent-rechtung in der Gesellschaft während der Dauer des Rechtsstreits über die Einziehung zu verhindern bzw. seine streitige materiell-rechtliche Gesellschafterstellung bis zur Klärung der Wirksamkeit der Einziehung zu sichern. Begleitend zur Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen den Einziehungsbeschluss kann der Gesellschafter bei Vorliegen der Voraussetzungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die insoweit passivlegitimierte Gesellschaft das Verbot er-wirken, eine neue Gesellschafterliste, in der er nicht mehr aufgeführt ist, bei dem Registergericht einzureichen." Für korrespondierende Anträge im Falle einer bereits eingereichten geänderten Gesellschafterliste sowie Anträge auf einstweilige Behandlung wie ein Gesellschafter gilt kein anderer Maßstab.

 

  1. Verfügungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung

 

a)

Ein Verfügungsgrund für einen Anträge im einstweiligen Rechtsschutz ergibt sich bereits aus der Legitimationswirkung der Gesellschafterliste, woraus sich der vorläufige Ausschluss von der Teilnahme an den Gesellschafterrechten herleiten lässt (vgl. dazu allgemein BGH, Urteil vom 02.07.2019 - II ZR 406/17, juris-Rn. 39; Senat, Urteil vom 02.12.2020 - 7 U 4305, juris-Rn. 40; großzügig: Altmeppen in Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl., § 40 Rn. 30 f.).

 

b)

Auch das OLG München bejaht aktuell in mehreren Entscheidungen, zuletzt mit Beschluss vom 22.02.2022 - 7 W 186/22 in den Fällen, in denen die Satzung der Gesellschaft eine Einziehung von Geschäftsanteilen vorsieht (zur Ausschließung ohne Satzungsgrundlage vgl. Senat, Urteil vom 02.12.2020 - 7 U 4305/20) und die Gesellschafterversammlung einen solchen Beschluss fasst, grundsätzlich insoweit ein Verfügungsgrund, als der von der Einziehung betroffene Gesellschafter bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache seine Weiterbehandlung als Gesellschafter erreichen will (vgl. OLG München, Beschluss vom 18.05.2021 - 7 W 718/21, Rdnr. 56).

Das OLG München bejaht grundsätzlich auch einen Verfügungsgrund, insoweit als der von der Einziehung betroffenen Gesellschafter die Einreichung einer korrigierten, ihn wieder als Ge-sellschafter ausweisenden Gesellschafterliste verlangt. Denn anderenfalls wäre es von zeitlichen Zufälligkeiten abhängig, ob aufgrund eines in der Hauptsache umstrittenen Gesellschafterbe-schlusses eine diesem Beschluss folgende Gesellschafterliste im Handelsregister eingetragen wird oder in selbigem unkorrigiert verbleibt ( OLG München, Beschluss vom 18.05.2021 - 7 W 718/21, Rdnr. 59).

 

  1. Zusammenfassung

 

Um seine Rechtsposition vorläufig zu sichern, ist dem von einem Zwangsausschluss betroffenen Gesellschafter die Möglichkeit eröffnet, im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Einreichung einer neuen Gesellschafterliste vorzugehen. Sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Gesellschaft kann darauf gerichtet sein, dass gar nicht erst eine neue Gesellschafterliste eingereicht wird oder dass eine bereits eingereichte Gesellschafterliste korrigiert wird.

Zum Erlass einer einstweiligen Verfügung muss der Gesellschafter dem Gericht glaubhaft machen, dass der Einziehungs- bzw. Zwangsabtretungsbeschluss unwirksam ist (Verfügungsanspruch) und dass ein Verfügungsgrund – also eine besondere Eilbedürftigkeit – besteht. In einem Fall folgt diese Eilbedürftigkeit regelmäßig aus der Gefahr, durch die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste die Befugnis zur Ausübung von Gesellschafterrechten zu verlieren (hierzu auch OLG München, Beschluss vom 18.05.2021, Az. 7 W 718/21). Doch selbst wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, erlässt das Gericht nicht automatisch eine einstweilige Verfügung. Der Verfügungsgrund kann nämlich entfallen, wenn der Antragsteller die Dringlichkeit durch sein eigenes Verhalten widerlegt (z.B. indem er wie vorliegend mehrere Monate mit dem richtigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wartet).

Wer seine Rechtsposition sichern will, sollte Maßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz daher zeitnah nach dem Einziehungs- bzw. Zwangsabtretungsbeschluss ergreifen.

 

Ich helfe Ihnen gerne weiter.

 

Ihr

Bernd Gasteiger, LL.M.

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Verfasst am 06.05.2022, Bernd Gasteiger LL.M.

Anstellungsverhältnis von GmbH- Geschäftsführern- Was gilt nach Beendigung der Organstellung?

Organstellung und Anstellungsverhältnis sind zwei Rechtsverhältnisse, die ein unterschiedliches Schicksal haben können. Gleichwohl hat die Beendigung der Organstellung regelmäßig auch Auswirkungen auf Bestand, Status und den Inhalt des Anstellungsvertrags, die im Folgenden erläutert werden sollen.

 

  1. Fortbestand des Dienstvertrags

Das Amt des Geschäftsführers kann insbesondere durch Zeitablauf, Abberufung, Amtsniederlegung, Verlust der Bestellungsvoraussetzungen oder Vereinbarung enden. Über das weitere Schicksal des Anstellungsvertrags ist damit regelmäßig noch nichts gesagt.

 

  1. Kündigung des Dienstvertrags

In der GmbH führt die Beendigung der Organstellung nicht automatisch auch zur Beendigung des Anstellungsvertrags (Trennungsprinzip). Deutlich wird das an den Vorschriften über den Widerruf der Bestellung.

Der Geschäftsführer der GmbH kann gem. § 38 Abs. 1 GmbHG zwar grds. jederzeit abberufen werden, jedoch ausdrücklich nur unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen. Daraus folgt, dass sich das weitere Schicksal des Anstellungsvertrags ebenfalls nach den allgemeinen Vorschriften über Dienstverträge richtet. Auch hier muss der Anstellungsvertrag also ordentlich bzw. außerordentlich gekündigt werden.

 

  1. Koppelungsklauseln

Bei der GmbH sind in Anstellungsverträgen häufig Klauseln anzutreffen, die bei Beendigung der Organstellung auch die automatische Beendigung des Anstellungsvertrags vorsehen (sog. Koppelungsklauseln). Regelmäßig soll in diesen Fällen der Widerruf der Bestellung gleichzeitig auch als Kündigung des Anstellungsvertrags gelten.

Durch die – häufig unter erleichterten Voraussetzungen mögliche – Abberufung soll der durch eine Befristung bzw. die vertragliche oder gesetzliche Kündigungsfristenregelung vorgesehene Mindestschutz des Geschäftsleiters nicht umgangen werden können. Koppelungsklauseln bewirken deshalb in der Regel nur die Beendigung des Anstellungsvertrags zum nächstmöglichen Zeitpunkt, im Fall der Befristung also zum Ende des Befristungszeitraums, bei einem unbefristeten Vertrag zum Ablauf der vereinbarten oder der gesetzlichen Kündigungsfrist.

Etwas anderes gilt nur, wenn der Grund für die Abberufung aus dem Amt gleichzeitig auch einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses darstellt.

 

  1. Befristung

Wurde der Anstellungsvertrag befristet abgeschlossen, endet er ohne Kündigung mit Ablauf der Zeit, für die er eingegangen wurde, § 620 Abs. 1 BGB . Auch der befristete Anstellungsvertrag ist also grds. unabhängig vom Fortbestand des Amtes. Ordentlich kündbar ist er nur, wenn dies ausdrücklich vereinbart wird. Ansonsten ist lediglich eine außerordentliche Kündigung unter den Voraussetzungen des § 626 BGB möglich.

 

  1. Vertragsstatus

Der Anstellungsvertrag des Geschäftsleitungsorgans stellt in der Regel ein freies Dienstverhältnis dar. Bei Organmitgliedern juristischer Personen fehlt es in aller Regel an der ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden persönlichen Abhängigkeit. Deshalb sind Geschäftsführer regelmäßig nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft.

 

HINWEIS:

Denkbar ist dies in den Fällen, in denen ein Arbeitnehmer der Gesellschaft zum gesetzlichen Vertreter berufen wurde und anlässlich seiner Bestellung das bisherige Arbeitsverhältnis nicht aufgehoben, also kein neuer Dienstvertrag mit geänderten Vertragsbedingungen abgeschlossen wurde. Wird der ehemalige Geschäftsführer nach der Beendigung des Amtes auf der Basis des Arbeitsvertrags – bspw. in leitender Funktion – weiterbeschäftigt, lebt dieses Arbeitsverhältnis wieder auf.

Gelegentlich kommt es auch vor, dass das Organmitglied nach der Abberufung aus dem Amt auf der Basis seines Anstellungs- und nicht Arbeitsvertrags in leitender Funktion unterhalb der Geschäftsleitungsebene weiterbeschäftigt wird. Geschieht dies in der Weise, dass er dabei den Weisungen der Geschäftsführung unterliegt und wie ein Arbeitnehmer in die betriebliche Organisation eingeordnet ist, kann daraus konkludent die Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses abzuleiten sein.

 

III. Gremienzuständigkeit

Aus § 46 Nr. 5 GmbHG ergibt sich, dass die Gesellschafterversammlung in der GmbH für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer zuständig ist. Daraus wird allgemein auch eine Annexkompetenz für Abschluss, Beendigung und Änderung des Anstellungsvertrags gefolgert. Diese Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung bleibt auch nach Beendigung des Amtes bestehen. Wird der Geschäftsführer allerdings nach der Abberufung als Arbeitnehmer, also weisungsgebunden weiter beschäftigt, soll die Geschäftsführung zuständig sein.

 

  1. Auswirkungen der Beendigung des Amtes auf den Vertragsinhalt
  2. (Wieder-)Bestellungsanspruch?

Wurde die Bestellung widerrufen, so stellt sich die Frage, welche Rechte und Pflichten das abberufene Organmitglied im Hinblick auf seine Tätigkeit hat.

Überwiegend wird ein Wiederbestellungsanspruch für den Fremdgeschäftsführer verneint. Zumindest für die GmbH dürfte ein einklagbarer Anspruch ausgeschlossen sein, weil dieser im Widerspruch zu § 38 GmbHG stünde, wonach der Geschäftsführer jederzeit von den Gesellschaftern abberufen werden kann.

 

Eine Ausnahme kann nur in solchen Fällen gelten, in denen die Satzung und/oder der Anstellungsvertrag dem Geschäftsführer das Geschäftsführeramt als Sonderrecht einräumt, z.B. in der Weise, dass die Abberufung bei ihm nur aus wichtigem Grund zulässig sein soll. In diesem Fall besteht für den abberufenen Geschäftsführer die Möglichkeit, den Beschluss über seine Abberufung mit einer Feststellungs- und Anfechtungsklage anzugreifen.

 

  1. Schadensersatzpflicht der Gesellschaft?

Eine weitere Frage ist, ob sich die Gesellschaft bei fehlerhafter oder zu Unrecht erfolgter Abberufung schadensersatzpflichtig macht und/oder die Abberufung dem Geschäftsführer die Möglichkeit gibt, das Anstellungsverhältnis seinerseits aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen.

Im Normalfall ist die Abberufung kraft gesetzlicher Regelung jederzeit widerruflich und kann daher auch keine Schadensersatzansprüche des Geschäftsführers auslösen. Besteht hingegen ein Sonderrecht, ist die Abberufung nur aus wichtigem Grund zulässig. Liegt ein solcher nicht vor, verletzt die Gesellschaft die Pflichten aus der Satzung oder dem Anstellungsvertrag, was nach den allgemeinen Regelungen zu einer Schadensersatzpflicht führen und den Geschäftsführer auch zum Ausspruch einer Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen kann.

 

  1. Vergütung und Beschäftigung

Stellt der Abberufungsgrund nicht gleichzeitig einen wichtigen Grund zur außerordentlichen und fristlosen Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB dar, ist der Anstellungsvertrag bis zum vorgesehenen Vertragsende oder bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen unter Fortzahlung der Vergütung und Weitergewährung aller sonstigen vertraglichen Leistungen. Deshalb stellt sich die Frage, ob das ehemalige Organmitglied auch berechtigt oder gar verpflichtet ist, eine andere als die Organtätigkeit bis zum Vertragsende auszuüben, z.B. in der Funktion eines leitenden Angestellten.

 

  1. a) Beschäftigungspflicht

Nach dem Anstellungsvertrag muss der Geschäftsführer regelmäßig nur die im Anstellungsvertrag vorgesehene Funktion übernehmen. Eine andere Tätigkeit schuldet er nicht. Seine Weigerung, eine solche Tätigkeit zu übernehmen, stellt deshalb keine Pflichtverletzung dar.

Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn der Anstellungsvertrag ausdrücklich die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung vorsieht. Dann ist der Geschäftsführer verpflichtet, für die Restlaufzeit des Vertrags eine solche Beschäftigung auszuüben und verletzt im Weigerungsfall seine vertraglichen Pflichten, was auch zur Kündigung aus wichtigem Grund führen kann.

 

HINWEIS:

Selbst wenn eine Beschäftigungspflicht besteht, muss damit seitens der Gesellschaft zurückhaltend umgegangen werden, weil aus der längeren Weiterbeschäftigung auf einer Arbeitnehmerfunktion ein Arbeitsverhältnis werden könnte.

 

  1. b) Beschäftigungsanspruch

Grundsätzlich wird ein Beschäftigungsanspruch des abberufenen Organmitglieds nicht bestehen, wie sich aus den gesetzlichen Wertungen der § 38 GmbHG und § 84 AktG ergibt. Sieht allerdings der Anstellungsvertrag ausdrücklich die Möglichkeit einer anderweitigen angemessenen Beschäftigung vor, kann daraus auch ein Beschäftigungsanspruch hergeleitet werden.

 

  1. c) Annahmeverzug

Auch wenn für das ehemalige Organmitglied nach der Abberufung regelmäßig keine Pflicht zum Tätigwerden besteht, ist fraglich, ob ihm nicht im Rahmen des § 615 Satz 3 BGB entgegengehalten werden kann, er habe eine von der Gesellschaft angebotene, zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit ausgeschlagen, so dass seiner Vergütungsforderung ein unterlassener (fiktiver) Zwischenverdienst entgegengehalten werden kann. Das wird einerseits davon abhängen, ob ihm die angebotene Tätigkeit im Hinblick auf seine Aus- und Vorbildung zuzumuten ist. Dies wird regelmäßig wohl nur dann zu bejahen sein, wenn ihm eine Leitungsfunktion direkt unterhalb der Geschäftsführungsebene angeboten wird. Im Rahmen der Zumutbarkeit einer solchen Tätigkeit wird aber andererseits auch zu berücksichtigen sein, aus welchen Gründen die Abberufung erklärt wurde. Unzumutbar dürfte eine Weiterbeschäftigung bei der Gesellschaft auch in leitender Stellung dann sein, wenn die Abberufung mit Pflichtverletzungen oder ähnlichen Vorwürfen begründet wird.

 

Zusammenfassung:

Organstellung und Anstellungsvertrag können, müssen aber nicht dasselbe Schicksal haben. Neben der Beendigung der Organstellung muss auch der Anstellungsvertrag wirksam beendet werden. Wird der Anstellungsvertrag nach Abberufung fortgesetzt, ist der abberufene Geschäftsführer regelmäßig nur bei ausdrücklicher Vereinbarung verpflichtet, andere Tätigkeiten bei der Gesellschaft auszuüben. Nur in seltenen Fällen kann ihm die Weigerung der Übernahme einer solchen Tätigkeit aber als fiktiver Zwischenverdienst entgegengehalten werden.

 

Ich helfe Ihnen bei Fragen zu diesem Thema sehr gerne weiter.

 

Bernd Gasteiger LL.M.

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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Verfasst am 01.04.2022, Katharina Liffers

Kündigung erhalten – Was jetzt?

Wenn Sie eine Kündigung von Ihrem Arbeitgeber erhalten haben, sollten Sie einen kühlen Kopf bewahren und handeln.

Was Sie unbedingt beachten müssen, ist, dass Sie verpflichtet sind, sich bei der Arbeitsagentur zu melden. Gem. § 38 SGB III sind sie verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, haben Sie sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu melden. Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob man gerichtlich gegen die Kündigung vorgehen möchte oder nicht. Wer diese Pflicht verletzt riskiert beim Arbeitslosengeld eine Sperrzeit.

Sollten Sie schwanger oder schwerbehindert sein, genießen Sie einen besonderen Kündigungsschutz. Sollte Ihr Arbeitgeber von der Schwangerschaft nichts wissen, sollten Sie ihn umgehend, innerhalb von 2 Wochen, informieren. Das selbe gilt bei einer Schwerbehinderung, diese muss spätestens 3 Wochen nach Erhalt der Kündigung dem Arbeitgeber mitgeteilt werden.

Zudem sollten Sie in jedem Fall einen Rechtsanwalt / eine Rechtsanwältin aufsuchen, um prüfen zu lassen, ob die Kündigung rechtmäßig war. Die Frist für Einreichung einer Kündigungsschutzklage beträgt lediglich 3 Wochen, so dass Sie zügig einen Termin vereinbaren sollten.

Tatsächlich macht eine Kündigungsschutzklage bei Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten und einer Beschäftigungsdauer von mehr als 6 Monaten fast immer Sinn. Die meisten dieser Verfahren werden mit der Zahlung einer Abfindung abgeschlossen.

Wichtig zu wissen ist, dass vor den Arbeitsgerichten in der I. Instanz jeder seine eigenen Anwaltskosten trägt. Es besteht also auch im Falle des Obsiegens kein Anspruch gegen z.B. den Arbeitgeber, dass dieser die Kosten zu erstatten hat. Umgekehrt bedeutet dies, dass man selbst auch nicht das Risiko trägt, im Falle des Unterliegens die Kosten des Arbeitgebers tragen zu müssen.

Ich habe erfolgreich an der theoretischen Prüfung Fachanwalt für Arbeitsrecht (§15 FAO) teilgenommen und bin gerne für Sie da, wenn Sie im Falle einer Kündigung fachliche Hilfe benötigen. Um Sie bereits im ersten Gespräch bestmöglich beraten zu können, benötigen wir von Ihnen folgende Informationen / Unterlagen:

  • Kündigungsschreiben (wenn möglich mit Briefumschlag, damit wir den Zeitpunkt des Zugangs sicher feststellen können)
  • Gesamte Korrespondenz betreffend das Arbeitsverhältnis, z.B. Abmahnung, Zwischenzeugnis u.ä.
  • Die letzten 3 Gehaltsabrechnungen und die Abrechnung aus Dezember des vergangenen Jahres
  • Anzahl der im Betrieb beschäftigten Mitarbeiter, außer es sind weit mehr als 10, dann reicht eine ungefähre Schätzung
  • Kontaktdaten des Betriebsrates
  • Daten Ihrer Rechtsschutzversicherung
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Verfasst, Katharina Liffers

Tierschutz-Hundeverordnung (TierSchHuV)

Die Neuerungen der Tierschutz-Hundeverordnung, welche derzeit noch nicht alle anwendbar sind, beinhalten Änderungen sowohl für Züchter als auch für private Hundehalter.

Dies beginnt bereits damit, dass § 3 TierSchHuV nicht mehr nur das gewerbsmäßige Züchten betrifft, sondern nun generell Anforderungen an das Halten beim Züchten stellt. Es spielt nun also keine Rolle mehr, ob man gewerblich züchtet oder nur gelegentlich im Rahmen einer reinen Hobbyzucht ab und an einen Wurf Welpen hat. § 3 TierSchHuV regelt nun für jeden, wann der Hündin eine Wurfkiste zur Verfügung gestellt werden muss, wie diese beschaffen sein, welche Lufttemperatur zu gewährleisten ist und vieles mehr.

Für gewerbsmäßige Züchter wurde in § 3 TierSchHuV nun außerdem geregelt, dass für jeweils bis zu fünf Zuchthunden eine Betreuungsperson zur Verfügung stehen muss, die die dafür notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten gegenüber der zuständigen Behörde nachgewiesen hat (Stichwort: § 11 TierSchG), nicht mehr wie früher für bis zu 10 Hunde. Diese Betreuungsperson wiederum darf nur bis zu drei Hündinnen und deren Welpen gleichzeitig betreuen.

In den §§ 4 und 5 TierSchHuV wurden die Anforderungen an die Haltung von Hunden Draußen und Drinnen verschärft und konkretisiert. So wurde z.B. definiert, dass außerhalb der Schutzhütte ein witterungsgeschützter, schattiger und wärmegedämmter Liegeplatz, der weich oder elastisch verformbar ist und der so beschaffen ist, dass der Hund in Seitenlage ausgestreckt liegen kann bei der Haltung draußen zur Verfügung stehen muss. Für Herdenschutzhunde wurden gleichzeitig Sonderregelungen getroffen.

Ebenfalls wurden die Anforderungen an die Zwingerhaltung verschärft.

Besonders erfreulich ist, dass die Anbindehaltung untersagt wurde, § 7 TierSchHuV.

Längst überfällig war das jetzt in § 10 TierSchHuV geregelte Ausstellungsverbot für sogenannte Qualzuchten. Das entsprechende Zuchtverbot findet sich in § 11 b TierSchG.

Aber nicht nur für Hundezüchter hält die Tierschutz-Hundeverordnung Änderungen und Neuerungen bereit. Auch für private Hundehalter wurden die Vorschriften für das Halten von Hunden zum Teil verschärft und zum Teil konkretisiert. So wurde nun in § 2 TierSchHuV klar geregelt was die Allgemeinen Anforderungen an das Halten von Hunden sind. So ist jetzt gesetzlich u.a. geregelt, dass einem Hund z.B. ausreichend Auslauf im Freien und mehrmals täglich Umgang mit seiner Betreuungsperson zu gewähren ist. Explizit wurde nun verboten, bei der Ausbildung, bei der Erziehung oder beim Training von Hunden Stachelhalsbänder oder andere für die Hunde schmerzhafte Mittel zu verwenden.

Viele dieser neuen Regelungen sind für Hundeliebhaber eine Selbstverständlichkeit. Die Tatsache, dass sie gesetzlich niedergelegt werden mussten zeigt aber bedauerlicherweise, dass Hunde, auch hier in Deutschland, zum Teil noch immer unter tierschutzwidrigen und nicht artgerechten Umständen gehalten und gezüchtet werden. Es bleibt zu hoffen, dass dieses neue Regelwerk zu einem artgerechten Umgang mit Hunden beiträgt.

Bei Fragen Rund um das Thema Recht und Hund können Sie sich gerne jederzeit an mich wenden

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Verfasst am 24.03.2022, Katharina Liffers

Die „A-bis-Z Garantie“ von Amazon

Mit Urteil vom 01.04.2020, Az.: VIII ZR 18/19 hat der BGH entschieden, dass der Verkäufer trotz der Regelungen der Amazon.de A-bis-z Garantie nach wie vor einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung hat, auch wenn Amazon dem Käufer das Geld erstattet hat.

Im vorliegenden Fall hat der Käufer bei einem Marketplace-Verkäufer einen Ofen bestellt. Der Kaufpreis wurde auf ein Konto von Amazon überwiesen. Als der Käufer einen A-z Garantieantrag stellte, gab Amazon diesem statt, buchte den Kaufpreis vom Konto des Verkäufers wieder ab und überwies ihn zurück an den Käufer. Der Verkäufer verklagte den Käufer anschließend auf Zahlung des Kaufpreises.

Der BGH hat hierzu ausgeführt, dass die von Amazon veranlasste Rückzahlung des Kaufpreises der Geltendmachung des Anspruchs auf Kaufpreiszahlung nicht entgegensteht. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Entscheidung über die Rückbuchung des Kaufpreises bei einem erfolgreichen A-z-Garantieantrages auf einer besonderen Dienstleistungsabrede zwischen Amazon und dem Käufer beruht, wobei allein Amazon die Befugnis eingeräumt ist, eigenständig zu entscheiden, ob der Kaufpreis erstattet wird oder nicht.

Mit Abschluss des Kaufvertrages haben die Parteien aber stillschweigend vereinbart, dass die getilgte Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn das Amazon-Konto des Verkäufers rückbelastet wird.

 

FAZIT: 

Unabhängig von einer A-z-Garantie von Amazon haben sowohl Käufer als auch Verkäufer die Möglichkeit ihre Ansprüche gerichtlich durchzusetzen.

Sollte also z.B. einem Garantieantrag des Käufers nicht stattgegeben werden, hat dieser dennoch die Möglichkeit staatliche Gerichte in Anspruch zu nehmen, um Mängelgewährleistungsrechte oder im Fall einer nicht erbrachten Leistung seinen Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises unter den gesetzlichen Voraussetzungen geltend zu machen.

Im Gegenzug ist auch der Verkäufer nach einem erfolgreichen Garantieantrag berechtigt, zur Durchsetzung der Kaufpreisforderung den Klageweg zu beschreiten.

Die A-z-Garantie ist dennoch von Vorteil für den Käufer. Bei einem erfolgreichen Antrag erhält er die Kaufpreiszahlung zurück, ohne dass er diesen Anspruch einklagen muss. Darüber hinaus bleibt ihm das Insolvenzrisiko des Verkäufers erspart. Die Prozessführungslast liegt allein auf Seiten des Verkäufers.

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Verfasst am 10.03.2022, Katharina Liffers

Schmerzensgeld nach Hundebiss

Das Landgericht Konstanz hat mit Urteil vom 17.11.2021, Az.: B 4 O 76/21  einem gebissenen Hundehalter u.a. ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000,00 € zugesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger, also der verletzte Hundehalter, stand mit seinem angeleinten Hund in einer Tiefgarageneinfahrt, während die Beklagte in einiger Entfernung ihren Hund aus dem Auto aussteigen lies. Nachdem der Hund der Beklagten seine Notdurft verrichtet hatte, wurde er auf den Hund des Klägers aufmerksam und rannte auf diesen zu. Zwischen den Parteien ist hierbei streitig, ob der Hund der Beklagten unangeleint war oder sich von der Leine losgerissen hatte. Zwischen den Hunden kam es unstreitig zum Konflikt. Der Kläger versuchte den Hund der Beklagten mit der Hand an der Schulter von seinem Hund wegzudrücken. Hierbei wurde er gebissen, wobei strittig ist, von welchem Hund der Kläger gebissen wurde.

Im Unfallbereich herrschte Leinenzwang.

Der Kläger erlitt eine Bissverletzung an der linken Hand, welche langanhaltende Schmerzen verursachte, sich entzündete und mehrfach operativ behandelt werden musste. Es kam zu einer Nekrose, Rötung und Schwellungen sowie einer leicht eingeschränkten Beweglichkeit des Handgelenkes. Es waren langwierige physio- und ergotherapeutische Behandlungen notwendig. Der Mittelfinger des Klägers ist immer noch leicht gekrümmt und er hat jeden Morgen ein taubes Gefühl in der Hand, sowie ein unangenehmes Spannungsgefühl. Die Narbe muss täglich eingecremt und massiert werden.

Das Gericht führte in den Urteilsgründen aus, dass die Beklagte dem Kläger gem. § 823 Abs. 1 BGB vollumfänglich für den materiellen und immateriellen Schaden haftet, den der Kläger im Rahmen des streitgegenständlichen Hundebisses erlitten hat, da die Beklagte ihren Hund in nicht ausreichender Form angeleint hat, dieser sich losriss und infolge des Konflikts mit dem Hund des Klägers der Kläger eine Bissverletzung erlitten hat.

Das Gericht macht hierbei deutlich, dass es letztendlich keine Rolle spielt, ob der Hund der Beklagten angeleint war oder sich losgerissen hat, da die Beklagte den Hund, trotz der bestehenden Leinenpflicht, nicht ausreichend angeleint hat, so dass sich der Hund losreißen konnte. Dies allein stellt einen schuldhaften Verstoß gegen den bestehenden Leinenzwang dar, so dass die deliktische Handlung der Beklagten schuldhaft erfolgte.

Nach hiesiger Ansicht haftet die Beklagte zudem gem. § 833 BGB verschuldensunabhängig, da sich die Tiergefahr des Hundes der Beklagten verwirklicht hat.

Weiter wird klargestellt, dass es keine Rolle spielt, welcher Hund letztendlich gebissen hat, da es ohne das Losreißen des Hundes der Beklagten infolge des nicht ausreichenden Anleinens nicht zum Konflikt der Hunde und damit zum Biss in die Hand des Klägers gekommen wäre.

Das Gericht führt so dann weiter aus, dass eine Anspruchsminderung auf Grund der Tiergefahr des Hundes des Klägers ausscheidet, da eine solche nach dem Sinngehalt des § 840 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist, wenn der Halter des schädigenden Hundes dem Geschädigten auch gem. § 823 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Auch sei ein Mitverschulden des Klägers gem. § 254 BGB vorliegend nicht gegeben, da dies voraussetzen würde, dass der Kläger gem. § 276 BGB die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, als er den Hund der Beklagten an dessen Schulter von seinem eigenen Hund weggedrückt hat. Das Gericht ist der Auffassung, dass es ein nachvollziehbares und kein fahrlässiges Verhalten darstellt, wenn ein Hundehalter versucht, seinen eigenen Hund vor Beißattacken eines anderen Hundes zu schützen. Wenn der Verletzte nämlich zum Schutz seines Eigentums eingreift, um größeren Schaden zu verhüten, so handelt er nicht fahrlässig sondern in berechtigter Sorge um sein Eigentum (OLG Celle, VersR 1981, 1058).

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Verfasst am 10.01.2022, Bernd Gasteiger

GmbH-Geschäftsführer nach Abberufung: Vergütung ohne Arbeit?

GmbH-Geschäftsführer nach Abberufung: Vergütung ohne Arbeit?

I. Problemstellung

In der Praxis geht es häufig weniger um die Frage, ob ein Geschäftsführer als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist, sondern um das in § 38 Abs. 1 GmbHG verankerte Trennungsprinzip.

Danach sind An- und Organstellung „getrennt“ zu sehen – werden GmbH-Geschäftsführer abberufen und damit ihre Organstellung beendet, hat das eben keine Auswirkungen auf ihr Anstellungsverhältnis. Vielmehr besteht der zugrundeliegende Dienstvertrag fort, ohne dass die vielfach ausdrücklich vorgesehene Geschäftsführerstellung noch Bestand hätte.

Die Ausgestaltung des dienstvertraglichen Verhältnisses des abberufenen Geschäftsführers und der Gesellschaft führt nicht selten zu Schwierigkeiten beim weiteren Vollzug des Dienstvertrags und der Frage, welche synallagmatischen Pflichten die Parteien gegenseitig noch erfüllen müssen.

Grundsätzlich besteht zwar die Möglichkeit den Bestand des Dienstverhältnisses durch die Aufnahme einer so genannten Koppelungsklausel in den Geschäftsführerdienstvertrag an den Bestand des Organverhältnisses zu binden. Allerdings wendet die Rechtsprechung für den Beendigungszeitpunkt § 626 BGB entsprechend an und lässt eine Lösung vom Dienstverhältnis nur unter Einhaltung der dort geregelten Fristen zu. Bei sofortiger Beendigung würde ansonsten § 626 BGB umgangen, wonach das Dienstverhältnis nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes fristlos gekündigt werden kann. Eine vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses ist also auch im Fall der Aufnahme einer Koppelungsklausel in den Dienstvertrag nur unter dieser Voraussetzung möglich. Die Koppelungsklausel eröffnet demnach im Fall der Abberufung des Geschäftsführers aus dem Organverhältnis nur die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung des Dienstverhältnisses.

Der Dienstvertrag wirkt somit in vielen Fällen über das Ende der Organstellung hinaus. Weiterhin stellt sich die Frage, ob in einem derartigen Fall eine Anpassung des Geschäftsführerdienstvertrags in Betracht kommt.

Der Geschäftsführer muss auch nach seiner Abberufung keine Leistungen erbringen, die sein Dienstvertrag nicht umfasst. Die Gesellschaft verfügt über kein entsprechendes Direktionsrecht. Daher ist von dem abberufenen Geschäftsführer in den meisten Fällen auch kein Tätigwerden unterhalb der Organebene geschuldet.

Gleichzeitig ist die Gesellschaft im Grundsatz weiter zur Zahlung der Vergütung verpflichtet. Der darauf gerichtete Anspruch des Geschäftsführers wird nicht nach § 275 I BGB unmöglich. Stattdessen kommt die Gesellschaft nach § 615 S. 1 BGB mit der Annahme der Dienste in Verzug, wenn der abberufene Geschäftsführer seine Organtätigkeit in entsprechender Weise weiter anbietet. Die Verpflichtung zur Fortzahlung der Bezüge bleibt daher aufrechterhalten, obwohl der Geschäftsführer gar keine Leistung erbringt bzw. erbringen muss. Die harte Realität in der Praxis könnte aber ggfs. die Anrechnung nach § 615 S. 2 BGB ( Böswilliges Unterlassen von Verdienst bei der Gesellschaft) sein.

Diese Fragen werden nachstehend beleuchtet:

II. Der Anspruch des Geschäftsführers auf Fortzahlung seines Festgehalts nach der Abberufung

Wann liegt Annahmeverzug auf Seiten der Gesellschaft vor?

Ob der Geschäftsführer einen Anspruch auf Fortzahlung seines Entgelts hat hängt davon ab, ob sich die Gesellschaft nach § 615 S. 1 BGB iVm § 293 ff. BGB im Annahmeverzug befindet. Nach § 293 BGB kommt der Gläubiger in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Die Leistung muss nach § 294 BGB tatsächlich oder nach § 295 BGB wörtlich angeboten werden. Auch bei unrechtmäßiger Kündigung eines Dienstverhältnisses bedarf es nach § 295 S. 1 BGB grundsätzlich mindestens des wörtlichen Angebots weiterer Dienstleistungen. Der Dienstverpflichtete muss der Kündigung demnach zumindest eindeutig widersprechen. 

Praxistipp:

Um die Gesellschaft in Annahmeverzug zu setzen, muss der Geschäftsführer seine Arbeitskraft daher grundsätzlich und vorsorglich nochmals anbieten. Bei einer mit der Abberufung verbundenen unwiderruflichen Freistellung wird ein nochmaliges Angebot jedoch nicht mehr notwendig.

Die Notwendigkeit eines wörtlichen Angebots der Leistung entfällt aber auch dann, wenn die Gesellschaft signalisiert, dass sie unter keinen Umständen zur Weiterbeschäftigung des Geschäftsführers bereit ist. Hiervon kann etwa ausgegangen werden, wenn die Gesellschaft anstelle des Abberufenen einen neuen Geschäftsführer bestellt. Gleiches gilt, wenn in Zusammenhang mit der Abberufung eine fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses durch die Gesellschaft ausgesprochen wurde, deren Unwirksamkeit im Rahmen eines hierüber geführten Kündigungsrechtsstreits festgestellt wird.

Der Geschäftsführer kann seinen Vergütungsanspruch allerdings nach § 242 BGB durch Verwirkung verlieren. Eine Verwirkung kommt in Betracht, wenn sich der Dienstverpflichtet gegenüber dem anderen Teil grob unanständig verhalten hat, so dass dem Vergütungsanspruch der Arglisteinwand entgegengehalten werden kann. Ein solcher Fall kann etwa vorliegen, wenn der Geschäftsführer ruinösen Wettbewerb betrieben hat oder auf andere Weise das Unternehmen, das mit seinen Erträgen die von ihm eingeforderten Bezüge erwirtschaften soll, in seiner wirtschaftlichen Grundlage gefährdete. Allein der Aufbau eines Konkurrenzunternehmens reicht nicht aus.

III. Anspruch auf variable Vergütungsbestandteile?

Fraglich ist, was für variable Vergütungsbestandteile zu gelten hat. Insoweit wird in der Praxis danach unterschieden, ob der Anspruch auf die Vergütung erfolgs- oder leistungsbezogen ausgestaltet ist. Bei erfolgsbezogener Ausgestaltung ist ein Beitrag des Geschäftsführers regelmäßig nicht erforderlich, so dass bei Erreichung der festgelegten Größen ein Anspruch besteht. 

Bei leistungsbezogener Ausgestaltung ist die Erreichung des Ziels durch die Leistungen des Geschäftsführers dagegen aufschiebend bedingt, so dass bei vorzeitiger Abberufung kein Anspruch besteht. Da dem Geschäftsführer im Fall seiner Abberufung durch die Gesellschaft die Möglichkeit der Zielerreichung genommen wurde, kann sich der daraus resultierende Verlust des Anspruchs auf die variablen Vergütungsbestandteile im Einzelfall als unangemessen darstellen. Unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nach § 157 BGB kann daher im Einzelfall gleichwohl ein Anspruch auf die Auszahlung der variablen Vergütung bestehen. Die Höhe des Anspruchs soll in einem solchen Fall von einer Einschätzung der zukünftigen Leistung des Organmitglieds abhängen, die dieses erbracht hätte, wenn es nicht abberufen worden wäre. Gemäß § 315I BGB hat die Gesellschaft dieses Ergebnis unter Berücksichtigung von billigem Ermessen zu treffen.

IV. Anrechnung anderweitigen Verdienstes

Der abberufene aber nicht gekündigte Geschäftsführer muss sich weiterhin auf seinen Vergütungsanspruch nach § 615 S. 2 BGB dasjenige anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Dienstberechtigte durch sein gesamtes Verhalten zu erkennen gibt, dass ihn das Verhalten des Dienstverpflichteten bis zum Ablauf des Vertrags in keiner Weise mehr interessiert. Davon kann aber nur ausgegangen werden, wenn die Parteien über Zeitpunkt und Anlass der Vertragsbeendigung im Einvernehmen auseinandergehen. Wenn die GmbH eine weitere Tätigkeit nicht mehr wünscht, kann hieraus jedoch nicht der Schluss gezogen werden, die Frage einer weiteren Entgeltzahlung sei für sie ohne Bedeutung gewesen. Die Anrechnung erfolgt automatisch kraft Gesetzes. Sie erfordert keine besondere Erklärung und ist keine Aufrechnung.

Überwiegend wird angenommen, dass der abberufene aber nicht gekündigte Geschäftsführer sich auf eine eventuell im Unternehmen mögliche Weiterbeschäftigung einlassen kann, wenn diese ihm ihrer Art nach zumutbar ist. Die Frage der Zumutbarkeit ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl aus Art. 12I GG zu beurteilen. Nach neuer Rechtsprechung des BAG kann auch ein Angebot, welches nicht mit dem Direktionsrecht korrespondiert, zumutbar iSd § 615 S. 2 BGB sein. Zumutbar dürfte daher auch eine Tätigkeit sein, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten angemessen ist und ähnliche Bestimmungs- und Einflussmöglichkeiten sowie Vorgesetztenfunktionen umfasst, wie die Tätigkeit eines GmbH-Geschäftsführers.

Allerdings wird eine solche Verpflichtung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Dies soll etwa der Fall sein, wenn der Geschäftsführer die Abberufung selbst verschuldet hat oder die Beschäftigung aus anderen Gründen unzumutbar ist. Tatsächlich erfolgt eine Abberufung grundsätzlich durch die Gesellschaft. Ob eine Abberufung dann vom Geschäftsführer verschuldet ist, mag eine Frage der Motivlage bei den Gesellschaftern sein, sie wird sich aber in Ermangelung eines objektiven Maßstabs – von Ausnahmefällen abgesehen – kaum je klären lassen. Generell wird die Gesellschaft in den Fällen, in denen der Geschäftsführer seine Abberufung aus ihrer Perspektive selbst verschuldet hat, im Zweifel eher weniger daran interessiert sein, dass der abberufene Geschäftsführer weiterhin in ihren Diensten tätig ist.

Hinter dem Angebot einer Alternativtätigkeit kann primär der Wunsch stehen, den fortbestehenden Vergütungsanspruch des abberufenen Geschäftsführers zu reduzieren. Aufseiten der Gesellschaft mag dann ein Interesse daran bestehen, dass der abberufene Geschäftsführer die angebotene Tätigkeit ablehnt und damit eine Anrechnung iSd § 615 S. 2 BGB auslöst. In derartigen Fällen kann ein tatsächliches oder auch nur behauptetes Selbstverschulden der Abberufung durch den Geschäftsführer die Annahme einer Alternativtätigkeit nicht zumutbar machen.

Dem Geschäftsführer wird das Angebot einer alternativen Tätigkeit im Unternehmen unterbreitet, um den fortzuzahlenden Lohn zu schmälern. Die Gesellschaft hat möglicherweise dann sogar ein Interesse daran, dass der abberufene Geschäftsführer die angebotene Tätigkeit ablehnt und damit die Anrechnung nach § 615 S. 2 BGB auslöst. Dass diese Absichten zugrunde liegen kann sich zB. durch den Anlass und die Umstände der Abberufung, ihre Begründung, dem Verhalten der Gesellschafter im Nachgang und der Art der Kündigung zeigen (OLG Frankfurt v. 27.3.2018 – 14 U 12/17; vgl. BAG v. 14.11.1985 – 2 AZR 98/84). Eine Unzumutbarkeit läge dann zumindest nahe. Sie ist dagegen vollkommen unstrittig, wenn bei Angebot und Durchführung der Alternativtätigkeit schikanöse Züge oder Absichten erkennbar sind. Diese können sich beispielsweise in einer ständigen Auferlegung von „Tätigkeitsberichten“ und vergleichbaren Maßnahmen widerspiegeln, die eine ordnungsgemäße Durchführung der Alternativtätigkeit erheblich erschweren (OLG Frankfurt v. 27.3.2018 – 14 U 12/17). Eine Unzumutbarkeit der Tätigkeit liegt außerdem nahe, wenn sie Aufgaben umfassen soll, die bei der Abberufung eine Rolle gespielt haben, etwa weil die Gesellschaft diese auf dortige Schlecht- oder Minderleistungen bzw. ein Fehlverhalten gestützt hat. Zuletzt muss eine Alternativtätigkeit zumindest auch ähnliche Entscheidungs- und Interessenwahrnehmungskompetenzen und vergleichbare Einflussmöglichkeiten und Unabhängigkeitsmerkmale umfassen (OLG Frankfurt v. 27.3.2018 – 14 U 12/17; OLG Karlsruhe v. 15.8.1995; BGH v. 14.7.1966 – II ZR 212/64).

V. Fazit

Der abberufene aber nicht gekündigte Geschäftsführer behält grundsätzlich seinen Vergütungsanspruch. Bietet der Geschäftsführer seine Leistung in entsprechender Weise an, dann kommt die Gesellschaft in Annahmeverzug und ist zur Fortzahlung der Bezüge verpflichtet. Ob ein Anspruch auf die Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile besteht, hängt davon ab, ob diese erfolgs- oder leistungsbezogen ausgestaltet ist. Im ersteren Fall besteht bei Zielerreichung ein Vergütungsanspruch. Im zweiten Fall nicht. Unter Umständen kommt unter Berücksichtigung des § 242 BGB ein Ausgleichsanspruch in Betracht. Wurden entsprechende Ziele nicht festgelegt, dann steht dem Geschäftsführer nach Ablauf des Bezugszeitraums ein Schadensersatzanspruch nach § 20 I und III iVm § 283 S. 1 BGB zu, wobei der höchstmögliche Bonus als Schaden zugrunde zu legen ist. Der Geschäftsführer muss sich jedoch nach § 615 S. 2 BGB anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

Ich helfe Ihnen sehr gerne weiter!

Ihr Rechtsanwalt Bernd Gasteiger LL.M.

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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Verfasst am 23.12.2021, Katharina Liffers

Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 30.11.2021, Az.: 41/21 ausgeführt, dass bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen ist, wenn auf Grund von Kurzarbeit einzelne Arbeitstage vollständig ausgefallen sind.

In dem zu entscheidenden Fall hatte die Klägerin bei einer vereinbarten Dreitagewoche einen Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen.

Auf Grund der Corona-Pandemie wurde im Rahmen der Kurzarbeit vereinbart, dass die Klägerin in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 von der Arbeitspflicht befreit ist und in den Monaten November, Dezember 2020 insgesamt an nur 5 Tagen arbeitet.

Die Beklagte nahm darauf hin eine Neuberechnung des Urlaubs vor und bezifferte den Jahresurlaub der Klägerin für das Jahr 2020 auf 11,5 Arbeitstage. Hiergegen wehrte sich die Klägerin.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision hatte keinen Erfolg.

Betreffend den Urlaubsanspruch der Klägerin hat das BAG ausgeführt, dass der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs rechtfertigt. Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage sind weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen. Das BAG stellte fest, dass allein bei Zugrundelegung der drei Monate, in welchen die Klägerin nicht gearbeitet hatte, die Klägerin lediglich einen Urlaubsanspruch von 10,5 Tagen gehabt hätte. Ihr stehen demnach nicht mehr Urlaubstage zu als der Beklagte berechnet hatte.

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Verfasst am 03.12.2021, Katharina Liffers

Änderungen im Kaufrecht zum 01.01.2022

Mit Wirkung zum 01.01.2022 wird die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie durch die europäische Warenkaufrichtlinie (Richtlinie(EU) 2019/771, „WKRL“) ersetzt.

Zweck der WKRL ist es unter anderem, für ein hohes Verbraucherschutzniveau zu sorgen. Zur Umsetzung der WKRL hat der Bundestag ein „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“ und ein „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ beschlossen.

Die Gesetze treten am 01.01.2022 in Kraft und bringen unter anderem im Verbrauchsgüterkaufrecht und dem allgemeinen Kaufrecht umfangreiche Änderungen mit sich. Neu geregelt werden z.B. der Sachmangelbegriff, die Verjährung von Mängelansprüchen, die Beweislastumkehr, Regelungen zu Nachlieferung, Nachbesserung, Minderung und Rücktritt. Auswirkungen zeigen sich auch betreffend zukünftiger Formerfordernissen für negative Beschaffenheitsvereinbarungen und bei rechtsgeschäftlichen Verjährungserleichterungen.

Mit eine entscheidende Änderung beinhaltet die Verlängerung der Beweislastumkehr bei Mängeln. Diese wird von 6 Monate auf 1 Jahr angehoben, § 477 I BGB-neu, außer beim Kauf eines lebenden Tieres. Hier bleibt es bei den bisherigen 6 Monaten.

Bei negativen Beschaffenheitsvereinbarungen – sprich, wenn ein vorliegender Mangel beiden bekannt ist und dieser im Vertrag auch festgehalten wird - sind zukünftig Informationspflichten und Formerfordernisse einzuhalten.

Auch für die rechtsgeschäftliche Verkürzung der Verjährungsfrist stellt der Gesetzgeber ein derartiges Formerfordernis auf. Eine formularvertragliche Verkürzungsklausel in einem schriftlichen Kaufvertrag oder in AGB wird diesem Erfordernis in Zukunft nicht mehr gerecht. Es droht dann die zweijährige Verjährungsfrist und eine Abmahnung.

Die neuen Regelungen gelten für alle Kaufverträge, die ab dem 01.01.2022 geschlossen werden. AGB und Verträge sollten dementsprechend dringend angepasst werden

Gerne sind wir Ihnen hierbei behilflich!

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Verfasst am 09.11.2021, Bernd Gasteiger

Die Bedeutung des Buchauszugs gem. § 87 c Abs. 2 HGB für den Handelsvertreter und angestellten Außendienstmitarbeiter - typische Einwendungen des Unternehmers

Von der Gesetzeslage her, ist der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs an keine weiteren Voraussetzungen gebunden, sondern knüpft an die Tätigkeit des Handelsvertreters und an die erfolgte Abrechnung eines bestimmten Zeitraumes durch den Unternehmer an.

 

In der prozessualen Praxis werden durch den Unternehmer trotzdem – mit mal mehr, mal weniger großen Erfolgsaussichten – Einwendungen gegen den für den Unternehmer oftmals lästigen Anspruch auf Buchauszug geltend gemacht.

 

Diese Einwendungen werden nachfolgend beleuchtet:

 

PROVISIONSANSPRÜCHE STEHEN NICHT ZWEIFELSFREI FEST  - DAHER KEIN ANSPRUCH AUF BUCHAUSZUG

 

Gemäß § 87c Abs. 2 HGB kann der Handelsvertreter „einen Buchauszug über alle Geschäfte verlangen, für die ihm nach § 87 Provision gebührt“. Das OLG München hat mit Endurteil v. 17.04.2019 – 7 U 2711/18 klargestellt, dass die Erteilung des Buchauszugs „keine Vorwegnahme der Entscheidung darüber enthalten darf, ob das in ihm aufgenommene Geschäft auch provisionspflichtig ist oder nicht (…). Nur die zweifelsfrei nicht provisionspflichtigen Geschäfte können daher bei der Erteilung des Buchauszugs unberücksichtigt bleiben, so vgl. BGH, Urteil vom 23.02.1989, Az. I ZR 203/87, Rdnr. 14, OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.01.2011, Az. 12 U 744/10, Rdnr. 28, Senatsurteil vom 11.04.2018, Az. 7 U 1972/17, Rdnr. 37, vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 17.12.2009, Az. 18 U 126/07, Rdnr. 116 aE).

 

TREUWIDRIGES VERHALTEN DES HANDELSVERTRETERS

 

Wenig erfolgsversprechend ist auch der Einwand des Unternehmers, der Handelsvertreter handele treuwidrig oder rechtsmissbräuchlich, wenn er von seinem gesetzlichen Anspruch auf Buchauszug Gebrauch macht. Wie das OLG München entschieden hat (Urteil vom 01. März 2017, Az. 7 U 3437/16) handelt der Handelsvertreter selbst dann nicht treuwidrig oder rechtsmissbräuchlich, wenn er die Provisionsabrechnungen des Unternehmers ggf. über Jahre hinweg nie beanstandet hat. Allein in dem Umstand, dass der Handelsvertreter über mehrere Jahre hinweg die Abrechnungen des Unternehmers widerspruchslos hingenommen hat, ist weder ein stillschweigend erklärtes Einverständnis mit den Abrechnungen noch ein Verzicht auf weitere Provisionen zu erblicken. Auch der Umstand, dass die Erteilung eines Buchauszugs – ggf. Jahre später – möglicherweise mit einem erheblichen Aufwand für den Unternehmer verbunden ist, führt nicht zu seiner Unzumutbarkeit. Die Gerichte sehen es vielmehr als Sache des Unternehmers an, sich von vornherein und damit rechtzeitig auf ein Buchauszugsverlangen einzustellen.

 

ÜBERMITTLUNG DES BUCHAUSZUGS UND DATENSCHUTZGRUNDVERORDNUNG

 

Das OLG München ( Urteil vom 31.07.2019 – 7 U 4012/17) hatte sich mit der Frage der Übermittlung des Buchauszugs und der Datenschutz-Grundverordung zu beschäftigen: Hiernach ist die Übermittlung eines Buchauszugs im Sinne des § 87c Abs. 2 HGB durch den Haupthandelsvertreter an einen Unterhandelsvertreter eine Verarbeitung im Sinne des Art. 4 Nr.2 DSGVO und muss deshalb die Voraussetzungen eines der Erlaubnistatbestände des Art.6 DSGVO erfüllen .

 

Die Parteien stritten über die Erteilung eines Buchauszugs. Die Beklagte hielt dem Buchauszugsanspruch des Klägers entgegen, die DSGVO verbiete eine Buchauszugserteilung ohne die Darlegung der Erforderlichkeit der Mitteilung jedes einzelnen Datums durch den Kläger.

 

Das Oberlandesgericht München kommt in seinem Urteil vom 30.07.2019 im Ergebnis dazu, dass die Erteilung des Buchauszugs durch den Erlaubnistatbestand des Art. 6 Absatz 1 Satz 1 lit. f DSGVO gedeckt ist, der die Übermittlung unter anderem dann gestattet, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht dagegen stehenden Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person überwiegen. Bei der Buchauszugerteilung steht ausschließlich das Vergütungsinteresse des Versicherungsvertreters inmitten. Dabei handelt es sich – so das OLG München – um ein berechtigtes Interesse eines Dritten im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO, da es aus einer von der Rechtsordnung erlaubten unternehmerischen Tätigkeit des Vertreters folgt und die unternehmerische Freiheit, die notwendigerweise das Recht zur Gewinnerzielung umfasst, ausdrücklich durch Art. 16 EUGRCh anerkannt und geschützt ist. Die Erteilung des Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB ist zur Verwirklichung des Provisionsanspruchs des Handelsvertreters und damit zur Realisierung dessen Vergütungsanspruches auch erforderlich, da erst durch die Erteilung des Buchauszugs der Vertreter in die Lage versetzt wird zu überprüfen, ob die vom Prinzipal erteilten Abrechnungen richtig und vollständig sind oder ihm noch ein darüber hinaus gehender Provisionsanspruch nach § 87a HGB zusteht.

 

Das OLG München geht weiter davon aus, dass bei der Ermittlung eines Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB das Vergütungsinteresse des Vertreters ein gegenläufiges Interesse des Kunden des Prinzipals im Rahmen der Interessenabwägung überwiegt, auch wenn die mit dem Buchauszug dem Vertreter vom Prinzipal übermittelten Daten der betroffenen Personen höchst sensibel sein können. Jedoch dient der Buchauszug der Verfolgung des Provisionsanspruchs des Vertreters aus § 87a Abs. 1 HGB, dessen Realisierung ohne Buchauszug zumindest erheblich erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht würde, sodass der Vertreter als Dritter ein sehr hohes, wenn nicht sogar wirtschaftlich existenzielles Interesse an der Datenübermittlung hat.

 

Fazit: Der Erteilung des Buchauszugs kann damit nicht mit Erfolg der Datenschutz gemäß der DSGVO entgegengehalten werden.

 

VERJÄHRUNG DES ANSPRUCHS AUF BUCHAUSZUG

 

In einem aufsehenerregenden Urteil hat der BGH nunmehr allerdings dem Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs in zeitlicher Hinsicht einen engen Rahmen gesetzt (BGH, Urteil vom 03. August 2017, Az. XII ZR 32/17). Nachdem gerade die erstinstanzlichen Gerichte in der Praxis zuvor mehrheitlich davon ausgegangen sind, dass der Anspruch auf Buchauszug als unselbstständiger Neben- bzw. Hilfsanspruch zum Provisionsanspruch nicht unabhängig von dem verjährt, hat der BGH nunmehr klargestellt, dass der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs selbstständig verjährt und der regelmäßigen Verjährungsfrist des §§ 195, 199 BGB unterliegt.

 

Damit beginnt die 3-jährige Verjährungsfrist für den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs – anders als bisher mehrheitlich angenommen – mit dem Schluss des Jahres, in dem der Unternehmer dem Handelsvertreter für das betreffende Jahr eine abschließende Abrechnung über die ihm zustehenden Provisionen erteilt hat. Denn mit ihr entsteht, so der BGH, der Anspruch auf Buchauszugserteilung.

 

Die besondere Konsequenz der Entscheidung ist die, dass die Verjährung des Anspruchs auf Buchauszug auch die Provisionsansprüche umfasst, die in den Abrechnungen des Unternehmers überhaupt nicht enthalten waren. Auch für sie kann also kein Buchauszug mehr verlangt werden.

 

In der Konsequenz bedeutet das folgendes:

 

Der Handelsvertreter hat einen eigentlich unverjährten Provisionsanspruch gegen den Unternehmer von dem er lange Zeit keine Kenntnis hat oder von dem er noch gar nichts weiß, weil der Unternehmer den Anspruch in seinen bisherigen Abrechnungen übergangen hat. Gerade die Unkenntnis über das Bestehen des Anspruches führt zu der langen (Maximal)-Verjährungsfrist des Provisionsanspruchs von 10 Jahren.

 

Um den nicht verjährten Provisionsanspruch geltend zu machen bzw. überhaupt erst von dessen Bestehen zu erfahren, ist der Handelsvertreter i.d.R. auf einen entsprechenden – ggf. eidesstattlich unterlegten – Buchauszug des Unternehmers angewiesen. Der Anspruch kann in vielen Fällen allerdings bereits verjährt sein, da nach der aktuellen BGH Entscheidung die Verjährung des Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszugs bereits mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem die Abrechnung des konkreten Zeitraumes – wenn auch unzutreffend – erfolgt ist. Der Handelsvertreter kann damit im Regelfall die notwendigen Informationen nicht mehr zusammentragen, um den eigentlich bestehenden Provisionsanspruch noch mit Erfolgsaussicht durchsetzen zu können. 

 

In der prozessualen Praxis wird das Urteil daher zu einer verstärkten und frühzeitigeren Geltendmachung des Anspruchs auf Buchauszug führen müssen.

 

Fazit

 

Der Buchauszug ist ein wichtiges Instrument des Handelsvertreters. Die jüngsten Gerichtsentscheidungen zwingen den Handelsvertreter dazu, sich frühzeitiger – also nicht nur im Streitfall – und sorgfältiger mit dem Rechtsinstitut zu beschäftigen.

 

Bei der Durchsetzung Ihrer Rechte helfen wir Ihnen gerne weiter!

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Verfasst am 09.11.2021, Bernd Gasteiger

Gesellschafterstreit: Zur Verjährung des Abfindungsanspruchs bei Unklarheit über die Wirksamkeit des Gesellschafterausschlusses

BGH, Urteil vom 18.05.2021 (II ZR 41/20)

 

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

 

Der BGH hat zunächst die Grundzüge der Verjährung eines Abfindungsanspruches eines Gesellschafters festgezurrt. Verjährungsbeginn ist gemäß § 199 Abs. 1 BGB das Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden und der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründeten Umständen sowie der Person des Schuldners hatte.

 

Der Abfindungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters entsteht mit dem Ausscheiden des Gesellschafters und kann nach seiner Fälligkeit geltend gemacht werden. Fällig ist der Abfindungsanspruch zum Zeitpunkt des Ausscheidens, es sei denn der Gesellschaftsvertrag enthält eine abweichende Regelung. In dem Gesellschaftsvertrag der GbR bestand eine (übliche) Ratenzahlungsvereinbarung, aufgrund dessen der Abfindungsanspruch in vier Jahresraten auszuzahlen sei, wobei die erste Rate sechs Monate nach dem Ausscheiden fällig werde. Der BGH stellte hierzu fest, dass bei ratierlicher Auszahlung des Abfindungsanspruches der Abfindungsanspruch insgesamt mit Fälligkeit der ersten Rate geltend gemacht werden könne. Diese Feststellungen sind noch unproblematisch.

 

Der Gläubiger (Gesellschafter) müsse aber auch Kenntnis von den „den Anspruch begründeten Umstände“ haben. Diese Kenntnis liege vor, wenn dem Gläubiger alle Tatsachen bekannt seien, die für die Entstehung des Anspruches erheblich seien. Ob der Gläubiger die zutreffenden rechtlichen Schlussfolgerungen gezogen habe, sei grundsätzlich irrelevant. Von diesem Grundsatz sei allerdings dann eine Ausnahme zu machen, wenn dem Gläubiger eine verjährungshemmende Klage nicht zuzumuten sei. Nicht zuzumuten sei eine Klage nach Auffassung des BGH, wenn der Kläger sich dadurch im Widerspruch zu einem anderen Verfahren setze. Ein solcher Fall lag nach Auffassung des BGH vor.

 

Der Abfindungsanspruch des Klägers war mit dem Ausschluss aus der Gesellschaft in 2009 entstanden. Mit Fälligkeit der ersten Rate sechs Monate nach dem Ausschluss war der Abfindungsanspruch noch in 2009 insgesamt fällig geworden. Verjährungsbeginn war daher der 31. Dezember 2009. Die Verjährung wäre nach Ablauf des 31. Dezember 2012 eingetreten. Bis zum 31. Dezember 2012 hat der Kläger keine verjährungshemmenden Maßnahmen (beispielsweise Klage oder Mahnbescheid) gegenüber der GbR ergriffen. Der Kläger hat vielmehr im Zeitraum von 2009 bis 2015 seinen Ausschluss aus der GbR bekämpft. In diesem Zeitraum sei es dem Kläger nicht zuzumuten gewesen, trotz seiner Klage gegen den Ausschuss zugleich eine Klage wegen der Höhe des Abfindungsanspruches zu erheben. In der Klage über die Höhe des Abfindungsanspruches hätte er sein Ausscheiden aus der GbR zugestehen müssen. Dies sei im Hinblick auf das vorherige Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses unbillig.

 

Der Kläger konnte daher frühestens nach dem Nichtzulassungsbeschluss des BGH in 2015 Klage wegen des Abfindungsanspruches erheben. Bis dahin „durfte“ der Kläger darauf vertrauen, dass sein Ausschluss rechtswidrig war.

 

Stellungnahme und Praxishinweise:

 

Die vorliegende Entscheidung bringt für die Praxis etwas mehr Sicherheit für die Frage, ob der Abfindungsanspruch bereits innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist trotz laufenden gerichtlichen Verfahrens über die Wirksamkeit der Einziehung geltend gemacht werden muss oder ob der ausgeschlossene Gesellschafter den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über die Wirksamkeit der Einziehung abwarten darf.

 

Es liegt auf der Hand, dass ein ausgeschlossener Gesellschafter zunächst gegen die Ausschließung ankämpft und erst, wenn dies nicht hilft, um die Abfindung prozessiert. Solange er noch gegen die Ausschließung ankämpft, würde er sich mit einer Abfindungsklage in Widerspruch zu diesem Hauptanliegen setzen.

 

Der BGH hat hier somit die einzig richtige und angemessene Entscheidung getroffen:

 

Die Verjährung kann nicht beginnen, bevor die Rechtslage um den Anspruch herum nicht klar ist. Und diese war im vorliegenden Fall offensichtlich nicht eindeutig. Spätestens nach den im Ergebnis divergierenden Instanz-Entscheidungen von Ausgangsgericht und Berufungsgericht war absehbar, dass es sich nicht um einen rechtlich offensichtlichen Fall handelt. Es wäre an dieser Stelle prozessökonomisch unsinnig gewesen, einen aufwendigen Streit über einen Abfindungsanspruch inzident im Verfahren über den Ausschluss des Gesellschafters zu führen. Falls sich letztlich nämlich herausgestellt hätte, dass der Ausschluss des Gesellschafters aus nicht auf den ersten Blick erkennbaren Gründen nicht wirksam gewesen wäre, hätte sich das etwaige Verfahren unnötig und wenig prozessökonomisch in die Länge gezogen, ohne dass es schlussendlich auf den Abfindungsanspruch angekommen wäre. Zudem steht eine solche rechtliche Behandlung auch im Widerspruch zu dem eigentlich verfolgten Ziel des Klägers, nämlich dem Bestehen seiner Stellung als Gesellschafter der GbR. Es wäre absurd gewesen, hätte der Kläger nur aufgrund von Verjährungsvorschriften auf der einen Seite sein Bestehen in der Gesellschaft einklagen müssen und damit genau das Gegenteil eines den Ausschluss betreffenden Abfindungsanspruch begehrt und auf der anderen Seite gleichzeitig den Abfindungsanspruch gefordert, der nur aufgrund eines vom Kläger nicht gewollten Ausschlusses fällig geworden wäre.

 

Bei Gesellschafterstreitigkeiten helfe ich Ihnen gerne weiter.

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Verfasst am 09.11.2021, Bernd Gasteiger

Betriebsbedingte Kündigung und Kurzarbeit- Ein Widerspruch – geht das überhaupt?

Hintergrund:

Wird durch den Arbeitgeber in einer Betriebsabteilung gleichzeitig Kurzarbeit eingeführt und betriebsbedingt gekündigt, so ist die Kündigung regelmäßig unwirksam. Die Anordnung von Kurzarbeit schließt es aus, dass betriebsbedingte Kündigungsgründe für die Beendigungskündigung vorliegen.

Im Zuge der Corona-Pandemie ist es vielfach zu Kündigungen von Arbeitsverhältnissen gekommen, die der Arbeitgeber darauf gestützt hat, dass es im Zuge der Pandemie und der sich hieraus ergebenden Einschränkungen, zu einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs gekommen ist.

Eine betriebsbedingte Kündigung ist aber gem. § 1 Abs. 2 und 3 KSchG nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie auf dringenden betrieblichen Erfordernissen beruht, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen und die Sozialauswahl richtig durchgeführt worden ist. Betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich dabei aus innerbetrieblichen Umständen und/oder durch außerbetriebliche Gründe ergeben.

Daran fehlt es, wenn außer- oder innerbetriebliche Umstände nicht zu einer dauerhaften Reduzierung des betrieblichen Arbeitskräftebedarfs führen.

Insoweit ist regelmäßig eine Prognose dahingehend anzustellen, ob die Beschäftigungsmöglichkeit dauerhaft wegfällt. Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen.

Mit einem derartigen Sachverhalt hatte sich das Landesarbeitsgericht München im Zuge des Urteils vom 05.05.2021 (5 Sa 938/20) zu beschäftigen.

Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 05.05.2021, Aktenzeichen 5 Sa 938/20

Sachverhalt:

Die Arbeitgeberin beschäftigte ständig mehr als 10 Arbeitnehmer. Es handelt sich um ein Unternehmen der Reise- und Tourismusbranche. Es wurden von dem Unternehmen Schiffsservice, Parkservice, Touren und Gepäcklogistik angeboten. Wegen der Corona-Pandemie hatte die Stadt P eine Allgemeinverfügung erlassen, die das Anlegen von Personenschiffen im gesamten Stadtgebiet verbot. Dadurch wurden bei der Arbeitgeberin keine Stadtführungen mehr nachgefragt.

Die Klägerin und ein weiterer Kollege von ihr führten bei der Arbeitgeberin Stadtführungen durch. Für den Kollegen nahm die Arbeitgeberin ab 09.03.2021 die Kurzarbeiterregelung in Anspruch.

Die Klägerin des Verfahrens ist 1954 geboren und hatte das Rentenalter überschritten. Deshalb war für sie die Beantragung von Kurzarbeit nicht möglich.

Mit der Klägerin wurde von der Arbeitgeberin über eine Herabsetzung ihrer Monatsvergütung verhandelt. Zunächst wurde von der Arbeitgeberin eine Herabsetzung auf 1500,00 € brutto angeboten, später auf 1000,00 € brutto. Die Arbeitnehmerin lehnte ab, weil sie bei der letztgenannten Summe mit ca. 800,00 € netto auf einen Betrag unterhalb des Hartz-IV-Satzes gekommen wäre.

Die Arbeitgeberin erklärte daraufhin unter dem 08.04.2020 die Beendigungskündigung. Sie begründete diese mit dem Rückgang der Anforderung von Stadtführungen infolge der Corona-Pandemie. Die Klägerin erhob eine Kündigungsschutzklage. In der 1. Instanz vor dem Arbeitsgericht Passau verlor sie, in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht München hat sie den Prozess endgültig gewonnen – das Landesarbeitsgericht hat keine Revision zugelassen, weil sein Urteil auf einer gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beruht.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts befindet sich im Einklang mit der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dieser Frage. Das Landesarbeitsgericht hat in dem Urteil kurz auf den Weg hingewiesen, den Arbeitgeber in einem solchen Fall gehen müssten. Eine Beendigungskündigung ist nach dem Gesetz immer das letzte mögliche Mittel. Zuvor muss die Arbeitgeberin alle den /die Arbeitgeberin weniger belastenden Maßnahmen probiert haben. Richtig wäre der Weg der Änderungskündigung. Das Landesarbeitsgericht hat darauf hingewiesen, dass mit einer Änderungskündigung auch eine nur vorübergehende Absenkung der Vergütung von Seiten des Arbeitgebers versucht werden kann.

Analyse der Entscheidung und Praxishinweise:

Betriebsbedingte Kündigungen während einer Kurzarbeitsphase sind nicht grds. ausgeschlossen, sondern sind – wenn auch nur unter bestimmten Voraussetzungen – möglich.

Man muss hier schon genau beachten, was das Urteil bedeutet. Es ist in Unternehmen, die Kurzarbeit eingeführt haben, nicht immer gesetzeswidrig, betriebsbedingt zu kündigen. Denkbar ist beispielsweise, dass ein Unternehmen zwei Betriebe hat und aufgrund von Auftragsrückgangs beschließt, einen der Betriebe einzustellen und in dem anderen Kurzarbeit zu beantragen. Das wäre möglich. Auch wäre es möglich, in verschiedenen Arbeitsbereichen nur zum Teil Kurzarbeit einzuführen. In solchen Fällen könnte auch eine betriebsbedingte Beendigungskündigung möglich sein.

Auch bei Ausspruch von Kündigungen während der Kurzarbeit sind die ordentlichen Kündigungsfristen zu beachten. Weiter erlischt bei Ausspruch der Kündigung automatisch der Anspruch auf Kurzarbeitergeld für den betroffenen Arbeitnehmer und die Agentur für Arbeit stellt die Zahlungen für den gekündigten Arbeitnehmer nach § 98 Abs. 1 Nr. 2 SGB III ein.

Fraglich ist dann, ob dem gekündigten Arbeitnehmer bei Verlust des Anspruchs auf Gewährung von Kurzarbeitergeld, bis zum Kündigungszeitpunkt der volle Lohn von Seiten des Arbeitgebers zusteht.

Das Erlöschen des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld ändert nichts an der tarif-/einzelvertraglich oder per Betriebsvereinbarung vereinbarten Reduzierung der Arbeitszeit und dem damit einhergehenden Verdienstausfall. Der Arbeitnehmer bleibt bis auf Weiteres also nur noch zur verringerten Arbeitsleistung verpflichtet (oder bei „Kurzarbeit Null“ entfällt die Arbeitsverpflichtung sogar vollumfänglich) und stellt sich auf entsprechend reduzierte Vergütung ein – sowie regelmäßig im Zuge typischer „Kurzarbeitsvereinbarungen“ auch auf die zusätzliche Zahlung des sozialversicherungsrechtlichen Kurzarbeitergeldes. Das Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers und eine Zahlungsverpflichtung bei Entfall persönlicher Voraussetzungen zur Gewährung von Kurzarbeitergeld können auch lediglich auf diese Höhe begrenzt sein. Deshalb können Arbeitnehmer grundsätzlich auch zukünftig nur Bezahlung in Höhe des Betrags verlangen, den sie im Falle der Gewährung von Kurzarbeitergeld durch die Agentur für Arbeit erhalten hätten. Sie sind somit während des festgelegten Kurzarbeitszeitraums finanziell nicht besserzustellen, als wenn weiterhin Kurzarbeitergeld gezahlt worden wäre.

Die Feststellung der vom Arbeitgeber geschuldeten Vergütung nach Ausspruch der Kündigung kann von individuellen Regelungen abhängen und insofern Schwierigkeiten bereiten. Diese Schwierigkeiten können, ebenso wie die grundsätzlichen Fragen zum Verhältnis von Kurzarbeit und Kündigung, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils strategische Verhandlungspunkte sein. Sie können einvernehmlich, beispielsweise bei einer umfassenden außergerichtlichen oder gerichtlichen Einigung der Parteien, abschließend gelöst werden.

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